Brustattrappe, Body, Bustier, Büstenhalter, Hüftformer, Rundstepper, Schnürmieder, Busenbinde, Korsett, Schnürbrust, Strumpfhalter, Wonderbra, Torselett, Sportgürtel, Hüfthalter, Büstenheber, Reformleibchen, Push-up-BH und so vieles mehr hatten das schöne Geschlecht im Laufe der Jahrhunderte so auf den Leib geschneidert bekommen. Die ganze Entwicklung der weiblichen Unterwäsche aus Heubacher Produktion kann im Miedermuseum in Heubach bestaunt werden.
Seit 2005 befindet sich in historischen Räumen des Heubacher Schlosses dieses Museum. Aktuelle Öffnungszeiten und coronabedingte Bedingungen sollten vor einem Besuch erfragt werden. 100 Meter vom Rathaus entfernt, direkt an einem öffentlichen Parkplatz gelegen, befindet sich dieses ehemalige Adelshaus, welches momentan – oder immer noch – saniert wird. Daher sind Teile des Gebäudes immer wieder für die Öffentlichkeit gesperrt, so derzeit das historische Klassenzimmer.
Für den beschaulichen Eintrittspreis (für Erwachsene) von 2 Euro wird dem Besucher anhand 13 Vitrinen anschaulich der Verlauf des Zeitgeistes, der Mode und dem Frauenbild dargelegt. Vieles gibt es zu bestaunen und lesen, in den Schauvitrinen sind Schubladen eingelassen, in denen sich auch noch allerhand Wissenswertes verbirgt. So war ich über eine Stunde lang in den Räumen unterwegs und konnte auch z. T. ein wenig den ehemaligen Glanz dieses alten Gebäudes erahnen.
Nachzulesen war, dass nicht nur Mode und Zeitgeschmack bei der Wahl des Drunter und Drübers galt, auch wurde per Gesetz die Kleiderausstattung geregelt, je nach Klassenstand in der Gesellschaft.
Bereits in Kindheitstagen umschwirrten mich die Begriffe Susa und Triumph, wenn sich erwachsene Frauen darüber austauschten, woher sie nun wieder einmal kostengünstiger ihre Miederwaren beziehen sollten. Von meinem Wohnort der Kindheit bis nach Heubach waren es gerade einmal 10 km. Nachbarinnen und Bekannte waren bei den großen Heubacher Firmen Susa und Triumph beschäftigt und kamen mit ihrem Betriebsausweis somit günstiger zu den begehrten Artikeln und versorgten die eine oder andere Dame ihres Vertrauens mit Unterwäsche, Bademoden und auch Frottierware. Später konnte dann auch Ottonormalverbraucherin mit Ausweis, Gutscheinen oder zu besonderen Verkaufszeiten im Betrieb angegliederten Lädchen einkaufen. Heutzutage gibt es in Heubach bei Susa Outlet und Triumph Factory Outlet die Gelegenheit zum Einkauf für Jedermann und -frau, Öffnungszeiten können online nachgelesen werden.
Allerdings fragte ich mich immer, wieso sich ausgerechnet zwei renommierte Wäschehersteller in Heubach befinden und wieso bitteschön, dieses kleine schwäbische Kleinstädtchen die Urwiege beider Konzerne sind. Im Museum nun habe ich dies erfahren und alles begann hiermit:
Heubach liegt am Nordrand der Schwäbischen Alb und ist an drei Seiten von den Bergen Rosenstein, Glasenberg, Hochberg, Nägelberg, Himmelreich und Scheuelberg umschlossen. Zum Remstal hin öffnet sich eine weite Ebene. Die im 19. Jhrd. noch nicht aufgeforsteten Berge dienten als Obstwiesen, Schaf- und Ziegenweiden. Das Klima war rauh, für Ackerbau stand wenig Fläche zur Verfügung, die Qualität der Böden nur bedingt geeignet. Da die Schwäbische Alb als strukturschwache Region keine Alternative bot, hatten die Menschen vom Leben mit der Landwirtschaft zuwenig zum Leben, zuviel zum Sterben und suchten sich zur Existenzsicherung einen Nebenerwerb: Die Weberei.
Die Entwicklung der Heubacher Miederwarenindustrie war nicht möglich, ohne an die ortsansässigen Handweber zu denken.
Den genauen Verlauf der Geschichte über die Heubacher Weber könnt ihr im Museum weiterlesen, wann genau sie ihre eigene Zunft organisierten, ist nicht dokumentiert. Ab Mitte des 19. Jhrd. gehörten zur Heubacher Weberzunft Leinwand- und Barchentweber, Strumpf- und Seidenweber sowie Baumwollweber. Sie alle wurden als Zeuglesweber bezeichnet.
Die Verbesserung der Dampfmaschine und die Erfindung des mechanischen Webstuhls leitete den Niedergang des Weberhandwerks ein und führten zu einem Strukturwandel. Mit dem Ende der Kontinentalsperre fielen Handelsschranken und die württembergischen Handwerker bekamen Konkurrenz aus England, Schlesien und Sachsen da diese ihre Waren zu niedrigeren Preisen anboten und schneller auf den Wandel der Mode reagieren konnten.
Als Lohnarbeiter für Verleger waren die ehemaligen selbstständigen Weber bei schlechter Auftragslage bald arbeitslos. Fabrikarbeit hingegen bedeutete einen relativ sicheren Arbeitsplatz, gleichbleibenden Lohn und feste Arbeitszeiten. In Kauf genommen wurde eine 6-Tage-Woche, lange Fußmärsche bei Wind und Wetter bis zum Arbeitsplatz, strenge Fabrikregeln und monotone Arbeit. Auch die Kinder mussten mit zur Arbeit erscheinen und leisteten Hilfsarbeit.
Eine weitere Möglichkeit zum Broterwerb bot die Heimarbeit für Frauen und Mädchen. Die Korsettweberei war Männerarbeit, doch die Weiterverarbeitung oblag den Frauen. Sticken, Verschlüsse annnähen und Verstärkungsstäbe einschieben.
Trotz der vielen Firmenpleiten und der anhaltenden Armut stieg die Einwohnerzahl Heubachs und die kleine Landstadt entwickelte sich zum lokalen Industriestandort.
Nun waren meine Fragen bezüglich Gründung dieser Firmenimpere gelöst und ich konnte mich wieder der eigentlichen Ausstellung widmen.
Mit Mieder oder Korsett versuchten Frauen, die es sich leisten konnten, ihre Figur dem jeweiligen Zeitgeschmack anzupassen und damit Körperformen zu betonen oder zu verbergen. Mal sollten weibliche Rundungen verborgen bleiben da sie als unschön galten, dann wieder hervorgehoben und betont werden.
Hat man zur Reformmode ab 1910 der Dame mehr Raum gelassen, das Korsett nicht mehr ganz so fest geschnürt, denn nachweislich wurden Organe deformiert, so galten zu Kriegszeiten per Gesetz andere Maßstäbe, Rohstoffe waren Mangelware. BHs wurden selbst genäht, das Körbchen gehäkelt.
In den goldigen Zwanzigern hingegen versteckte man geradezu die weiblichen Formen. Gerade Schnitte, möglichst schlank sollte die Silhouette sein.
1950 hingegen sollte Frau ihre Unterwäsche nach der Tageszeit und dem Geschehen wählen. Zum Hausanzug genügte ein Miederhöschen, für Rock und Pullover musste ein Büstenhalter und Hüftgürtel gewählt werden, für das klassische Cocktailkleid dagegen Korselett mit angesetztem Petticoat. Einheimische Schauspielerinnen verdeutlichten nochmals das Frauenideal der deutschen Nachkriegszeit. Ausländische Darstellerinnen, etwa Sophia Loren und Marylin Monroe, die in den Filmen ihre Kurven mit körperbetonten Dessous in Szene setzten, galten als Sexsymbole.
Mitte der 60er Jahre und mit Aufkommen des Minirocks, verlor der Hüftgürtel immer mehr an Bedeutung. Die praktische Perlonstrumpfhose machte Hüftgürtel, Strumpfhalter und Strümpfe überflüssig, die BHs hatten eine spitze Form. Junge Frauen orientierten sich nicht mehr am Kleidungsstil ihrer Mütter, sie setzten ihre eigenen Trends. BHs, Schlüpfer und Miederhosen wurden nun in leuchtenden Farben, mit Punkten, Streifen und Karos angeboten.
Bereits im nächsten Jahrzehnt erklang die Parole „Mein Körper gehört mir!“ durch Deutschland. Die Damenhose wurde gesellschaftsfähig, die Frauenwelt kaufte mehr Hosen als Röcke. Bequemlichkeit und Bewegunsfreiheit war die Devise. Viele Frauen legten als Zeichen der Emanzipation den Büstenhalter ab. Die Industrie reagierte entsprechend und fertige leichte und transparente BHs aus elastischen Stoffen an. „Frei – aber nicht haltlos, das ist der Busen 1974“ so lautete der Slogan der neuen BH Generation.
In den wilden 80er Jahren nahm die Gleichberechtigung der Frau einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Im Business gehörten Kostüm und Hosenanzug zum Alltagsdress. Ansonsten galt, erlaubt ist was gefällt. Es sollte kleidsam, komfortabel und kultiviert aussehen. Durch Popikonen und Stars bekamen Corsagen, Schnürmieder und Strapse auch wieder einen Platz in der Abendgarderobe, sogar als Oberbekleidung.
Das folgende Jahrzehnt setzte Dessous & Co. ins rechte Licht. Vor allem bei jungen Frauen gehörte die Unterwäsche zum täglichen Outfit. Büstenhalter und Bustier wurde zum Eyecatcher unter Kostümjacken, Blazer und Blusen, Frau ließ Spitze blicken wann immer es ging. Bei Tops mit Spaghettiträgern durfte sich der BH-Träger auch gerne in einer anderen Farbe als das Top abzeichnen. Eine wohlproportionierte Brust war wieder in Mode und die Industrie reagierte natürlich auch darauf.
Modetrends kamen und gingen. Heute wie damals. Was soll den Modeschöpfern auch immer Neues einfallen? Irgendwann wiederholt sich eben alles, ob nur kleine Nuancen eines Stils kopiert werden oder mit anderen Trends verknüpft wird. Auch heutzutage leben wir diese Stile aus, nur in anderer Bezeichnung. Da ist von Push-ups und Minimizern, BH mit und ohne Schalen, für die Stillzeit, Slips und Hipster nebst String und Panty, Bodyformer, Shapewear und Sportwäsche die Rede. Unterbekleidung soll bequem, komfortabel, funktional und manches Mal auch seidig liebkosend und verführerisch sein. Die Materialien haben einen Sprung ins Hightech-Zeitalter erlebt. Nahtlos, Microfaser, schnell trocknend, hochelastisch, atmungsaktiv und temperaturausgleichend. Dazu in allen Farben des Regenbogens.
Alles hat seine Zeit, die einen mögen dies, die anderen befürworten jenes.
Zum Abschluss dieses sehr interessanten Museumsbesuchs möchte ich noch den Wunsch einer jeden Dame und die damit verbunden 7 Regeln zum Besten geben!
Bin ich froh, dass ich in einer anderen Zeit lebe und ich denke, der Großteil meiner Geschlechtsgenossinen ist meiner Meinung. Vor allem, dass der Staat nicht diktiert, was Frauen drunter anhaben!
Gruß Karin
Ich hatte die Erlaubnis zum Fotografieren. Sämliche Fotos habe ich selbst im oder vor dem Museum gemacht, Textinhalte sind zum größten Teil vom ausgestellten Lesematerial.