So weit die Füße tragen

Glücklicherweise ging es uns nicht wie dem Kriegsgefangenen der nach dem 2. Weltkrieg aus einem sibirischen Gefangenenlager nach Hause flieht, so lautet zumindest der bekannte Romantitel aus dem Jahr 1955 der auch später dann als Filmvorlage diente. Nein, wir wollten ganz lapidar am Sonntagmorgen um 10.30 Uhr bei schwäbischen knackigen 2 Grad plus abermals das herrliche Wetter ausnützen und uns etwas die Beine vertreten. Dass daraus eine stundenlange Wanderung werden würde auf der wir stattliche 9 km zurücklegen und leider heute noch mein Knie darüber etwas mürrisch reagiert – das hätten wir im Leben nicht gedacht. Doch leider muss ich auch gestehen, dass mein menschliches Bedürfnis meiner Blase nach 2 Tassen Frühstückskaffee, die coronabedingte Schließung von Cafés und Restaurants und meine Auswahl des stark frequentierten Wanderweges daran Schuld waren, dass unser Fußmarsch so gar keine Ende nehmen wollte und konnte und ich dann letztendlich auf dem Friedhof (wieder einmal!) Zuflucht und Erlösung fand – doch der Reihe nach:

Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, unbedingt einmal die Klepperle-Trasse um Schwäbisch Gmünd herum zu bewandern. Die alte Bahnverbindung von Schwäbisch Gmünd, vorbei an den Kaiserbergen Rechberg und Hohenstaufen bis nach Göppingen war von 1911-1984 eine der berühmtesten Panorama-Bahnstrecken im Ländle, war sie doch sensationell steil und eng. Im Volksmund nannte man das Zügle Klepperle, jedoch nur in Gmünd, denn in Göppingen wurde die Nebenbahn Josefle und hinter vorgehaltener Hand auch Rosenkranzexpress genannt. Für die protestantischen württembergischen Nachbarn war die katholische Prägung der ehemaligen Reichsstadt Gmünd wohl namensgebend. Gmünd war mit ihrem Klepperle sehr verbunden, somit kein Wunder, dass die weltberühmte Firma Märklin nicht nur in Göppingen zu Hause war, auch in Schwäbisch Gmünd bot das Märklin-Werk in der Wilhelmstraße bis zu 200 Menschen Arbeit. Nach der Stilllegung der Hohenstaufenbahn entstand auf der Trasse zwischen dem Rems- und dem Filstal ein beliebter Rad- und Wanderweg. In Verbindung mit weiteren Wegen ergibt sich somit ein Netz an Freizeitmöglichkeiten die bequem zu Fuß, mit dem Rad, Kinderwagen u.ä. zumindest z. T. zu bewältigen sind. An das besagte Klepperle kann ich mich aus meiner Jugendzeit überhaupt nicht mehr erinnern, momentan stehen Überlegungen an, auch diese Bahn wieder zu reaktivieren – mal schauen was die Zeit so bringt.

Das Auto wurde in Gmünd Ende Eutighoferstraße / Anfang Goethestraße geparkt und an der alten Brückenverbindung begann der Marsch bergauf. Ungewöhnliche traumhafte Ausblicke boten sich, auch waren wir erstaunt, wie viele Menschen bereits am Sonntagmorgen radfahrend oder joggend unterwegs waren. An der ehemaligen Haltestelle Stadtmitte befindet sich eine Übersichtskarte des Rad- und Wandernetzes. Hier ist wirklich einiges geboten. Auch ist erwähnenswert, dass stets Wege hinab Richtung Stadt führen.

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links im Hintergrund das Müster, vorne das Parler-Gymnasium,

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Weiter ging es bis zur Kreuzung Rechbergstraße, die von Gmünd nach Straßdorf führt.

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Kurz darauf folgte dann auch schon der Südbahnhof. In den 1990er Jahren noch als Restaurant und Biergarten in Betrieb, ist diese Lokalität leider schon einige Jahre geschlossen und wird privat genutzt.

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Der Südbahnhof


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Der Zauberer und die Hex

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Weiter ging der inzwischen für mich sehr beschwerliche Weg, immer mit einem Blick zur Seite ob sich eine Möglichkeit ergeben würde, die Büsche der Umgebung näher unter die Lupe zu nehmen, doch vergebens, zu viele Artgenossen waren unterwegs.

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links der Königsturm

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Blick von links vom Salvator bis rechts nach Bettringen

Machte es Sinn umzukehren und auf dem schnellsten Wege zur Tankstelle zu fahren? Joachim befragte das Internet und studierte ausgiebig die reich beschilderten Wegweiser und meinte dann, die Trasse zu verlassen und bergab bis zum Dreifaltigkeitsfriedhof zu gehen.

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Wegweiserstudium

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gleich da unten ist die Aussegnungshalle

Dort war ich mir wiederrum sicher, dass die Toiletten geöffnet hatten, denn Jogis Eltern und weitere Verwandte fanden dort alle ihre letzte Ruhe, dort kenn ich mich aus. Gesagt, getan. Bergab ging es mit kleinen Trippelschritten, da sahen wir noch diese kleine niedliche Dreifaltigkeitskapelle – Notdurft hin oder her – diese musste noch unbedingt abgelichtet werden.

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Dreifaltigkeitskapelle von Debler

Dann an der Hauptstraße entlang, schon tausend Mal diese Brücke überquert, immer mit dem Auto, nie zu Fuß und somit diesen schönen Blick auf den Waldstetter Bach abgelichtet,

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dazu noch die Kreiselanlage direkt am Dreifaltigkeitsfriedhof, wo das Einhorn Wache hält – das Wappentier von Schwäbisch Gmünd.

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Flugs über die Straße und schon war der rettende Friedhof mit seinem beheizten Toilettenhäuschen zu Diensten – ich muss nicht mehr erwähnen! Danach noch ein Besuch bei Schwiegereltern, Tante und Onkel und zurück ging der Weg der Straße entlang. Das Knie machte sich bemerkbar, auch die Lust aufs Wandern war nicht mehr allzu groß. So ein Pech aber auch, dass es nirgends ein gemütliches Plätzchen für einen Kaffee oder dergleichen gab. Aus den Häusern waberten Küchendüfte. Wir erschnüffelten Braten mit Spätzle und Soß‘, dann wieder Bolognesesoße, Würstchen und Pommes – und wir setzen stur einen Fuß vor den andern. Somit ging die Route entlang der Weißensteiner Straße bis auf die Waldstetter Brücke wo dieses schöne Bild vom Josefsbach, der Seilbrücke und der Turmuhr vom Parler-Gymansium zu Stande kam.

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Natürlich musste ich auch über diese Brücke gehn‘

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und anschließend wanderten wir dann am Ufergraben entlang, bewunderten die dortigen Enten und Kunstobjekte und

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Der Drache von Diane Herzogin von Württemberg

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nutzen jedes Ruhebänkchen bis wir dann auf die Idee kamen, im Frühstückslokal Stadtvilla einen Kaffee und etwas Süßes zu kaufen und auf den kommenden Parkbänken eine längere Rast einzulegen. Hmmh! Was war das warme Getränk himmlich! Nach wie vor war es sehr kalt, auch der Berliner schmeckte göttlich, die Sonne im Gesicht, warm eingepackt und die vielen Spaziergänger beoabachtend sammelte ich Kraft für die letzten Kilometer.

Am Kroatensteg verweilten wir vor der Treppe, die an die ehemalige Synagoge von Schwäbisch Gmünd erinnert,

auf dem Steg selbst noch einmal, weil’s gar so schön ist, Fotos nach links und rechts.

Über die Katharinenstraße und Schwerzerallee gelangten wir dann letztendlich wieder zu meinen Chiliflitzer. Dieser brachte uns nach Hause wo ich mich umgehend mit Kühlakku um 14.45 Uhr aufs Sofa legte und erst einmal den Spielfilm Heidi ansah, mich dabei erholte und darüber nachsann, wann wir den nächsten Abschnitt der Klepperle-Trasse erkunden können. Wenn das Wetter traumhaft bleibt und meine Füße mich so weit tragen, vielleicht bald.

Bis dahin, eure Karin

Kunstvolle Wegbegleiter

Diese Woche führte unser Freiheits- und Bewegungsdrang in den Schwäbisch Gmünder Stadtteil Straßdorf. Vor einigen Wochen wurde in der Tagespresse ein Artikel über „Wege zur Kunst“ veröffentlicht und dies machte mich neugierig.

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Hierbei handelt es sich um eine Dauerausstellung entlang den Wanderwegen der Straßdorfer Hochebene. Mit atemberaubenden Ausblicken auf blühende Herbstfelder und die 3 Kaiserberge Stuifen, Rechberg und Hohenstaufen.

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Ebenso auf Waldstetten, den Rosenstein und Heubach, hinüber nach Bettringen und hinab nach Schwäbisch Gmünd bis in das Remstal. Ausgestellt sind momentan ein gutes Dutzend Skulpturen, wobei wohl noch weitere folgen werden. Schaffenswerke die z.T. speziell für den Standort angefertigt wurden, jedoch auch ältere Objekte die eine Verbindung des Schaffenden mit der Stadt inne haben oder hatten. Ich weiß, Skulpturenwege oder dergleichen gibt es momentan viele, doch diesen finde ich wegen seiner Lage und der verschiedensten Exponate besonders. Zu bedauern ist es allerdings, dass die Wegbeschreibung etwas zu wünschen übrig lässt. Lediglich ein verblichenes Hinweisschild an der Einhornstraße führt in den Laawiesenweg, bei dem sich der Wanderparkplatz befindet. Der Spaziergänger wird dann jedoch auf dem weiten Feld sich selbst überlassen und der Ortsunkundige irrt somit etwas hin und her. Daher ist es ratsam, die Website des Förderverein Straßdorf e.V. im Vorfeld kurz zu Rate zu ziehen, damit man im Bilde ist, wo sich die Skulpturen im Einzelnen befinden. Denn auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei der Marienkapelle am Ortseingang von Schwäbisch Gmünd kommend, führt der Weg entlang des Neubaugebietes an weiteren Werken vorbei.

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Die barocke Marienkapelle, leider war sie geschlossen. Kleeblattförmige Wendelinskapelle von 1719.

Auch in der Ortsmitte befinden sich weitere Objekte, dies habe ich jedoch erst bei der Recherche im Nachhinein erfahren. Auf der Website finden sich auch nähere Infos zu den Künstlern und ihren Werken.

Doch hier nun einige der Ausstellungsstücke, im Hintergrund ist dann auch jeweils die Landschaft zu sehen. Viel Spaß!

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Enden möchte ich mit einem Edelstahlguss von Eckhart Dietz aus dem Jahr 2002, welcher es mir besonders angetan hat. Ehrlich gesagt nicht unbedingt das abstrakte Werk an sich, sondern der Titel

„Sieh‘ doch im Osten, das Morgenrot“!

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Bis zum nächsten Erlebnis, ob im Osten oder Westen, beim Sonnenuntergang oder -aufgang?

Grüße, Karin

Zusatz am 19.11.20: Gestern kam in unserer Tagespresse nochmals ein Artikel.

Die Völker unter der Erde

Wie im vorherigen Beitrag versprochen, erfolgt hier der zweite Streich unseres Ausfluges am vergangenen Sonntag. Unser Ziel war ebenso in der Nähe von Aalen, im Ortsteil Waldhausen-Beuren. Dort befindet sich das 24 Hektar große Naturschutzgebiet Dellenhäule mit einer der schönsten Heiden der Ostalb und einer der größten Ameisenstädte Mitteleuropas.

Der Name Dellenhäule kommt von den Dellen im Boden, den unsere Vorfahren beim Abbau des feinen Silbersandes hinterließen. Schutzzweck ist die Erhaltung der Wacholderheide als Schafweide und Wald mit lichtem Bestand aus Wacholder-, Mehlbeere-, Eschen- und Buchengehölz, Rosen- und Sohlengebüsch mit einzeln stehenden alten Weidbuchen.

Den sicheren Grund, warum sich hier ausgerechnet Ameisen angesiedelt haben, kennt man nicht. Vermutlich die besonderen Bodenbeschaffungen, die ideale Bedingungenen für die fleißigen Krabbler schaffen. Der im Boden vorhandene Sand ist leicht und stabil zugleich. Perfekt für Gänge und Hügel. Die Hügelnester können aufgrund der großen Oberfläche viel Sonnenlicht aufnehmen und die somit gewonnene Wärme speichern. Die Kuppel schützt zudem vor Regen und Kälte.

Kein Wunder, dass hier 22 Völker siedeln die eine stattliche Einwohnerzahl von etwa 300 Millionen Emsen aufweisen. Ich weiß gar nicht, wohin ich schauen soll, mehr als 10.000 Ameisenhügel sollen sich hier befinden, manche wachsen bis zu 50 Zentimeter in die Höhe.

Noch lange könnte man hier auf dem weichen Waldboden spazierengehen oder entlang des Radweges gehen. Doch mein Ziel waren die Hügel, zumal waren wir schon ziemlich lange unterwegs, die Mägen knurrten und aufgrund Corona war an eine Einkehr zum Sonntagsessen nicht zu denken.

Somit fuhren wir nach Hause und warfen den Grill an, warm verpackt aßen wir nochmals draußen auf der Terrasse.

Die Ameisenhügel sollen übrigens am besten im Winter zu sehen sein, wie mit Puderzucker bestäubt, doch ich finde, auf meinem heutigen Lieblinsfoto sind diese auch ganz wunderbar zu sehen.

Man darf also gespannt sein, über was ich hier als nächstes schreibe.

Bis dahin, bleibt gesund,

Gruß Karin

Das Viadukt in Unterkochen

Am letzten Sonntag nutzten wir abermals das wundervolle Herbstwetter für einen Ausflug in der Region, genauer gesagt führte uns der Weg nach Unterkochen bei Aalen. In einem Magazin für Gäste, Urlauber und Ostälbler habe ich noch so einige unbekannte Ausflugsziele entdeckt, die es nun zu erkunden gilt.

Da ich mit Joachim unterwegs war hätte ich mir eigentlich denken können, dass wir nicht einfach der Wegbeschreibung des Heftes folgen, nein – mein menschenscheuer Gatte wollte bei diesen traumhaften klimatischen Wetterverhältnissen anscheinend unbedingt allein unterwegs sein, was sich angesichts der sehr vielen Wanderer und Spaziergänger etwas schwierig gestaltete. Nach der 35km langen Fahrt wurde das Auto am Parkplatz des alten Sportplatzes in Unterkochen geparkt und dann ging es sprichwörtlich querfeldein, denn auf dem Fußweg befanden sich ja – Oh Schreck welch ein Graus! – bereits einige Spaziergänger. Entlang des dahinplätschernden kristallglasklaren Weißen Kochers und vorbei an der Kneippanlage ging es dann bergauf auf den Wanderweg durch den Wald. Da die Beschilderung etwas zu Wünschen übrig ließ und wir notgedrungen wandernde Artgenossen nach dem Weg fragten, wurde mir bewusst, dass dieser Ausflug etwas länger dauern könnte. Zum Glück hatte ich gut gefrühstückt, eine große Wasserflasche im Rucksack und was frierende Frau sonst noch bei einem Ziel unbekannter Art so brauchen könnte. Wir befanden uns nun zunächst einmal auf der Route zum Kocherursprung. Entlang auf gut ausgebauten Wegen folgten wir im Wald immer bergauf dem Pfad entlang. Am Kocherursprung war kein Wasser zu sehen, ich fand diesen auch sehr unspektakulär, zudem gingen mir auch die vielen Menschen gegen den Strich und somit fotographierte ich bis dahin auch nicht. Erst als wir uns schweißtreibend auf die Anhöhe hinaufgearbeitet hatten und etwas verschnaufen konnten, holte ich mein Handy aus der Tasche. Vor uns lag zu beiden Seiten ein breiter ebener Weg, übersät mit Herbstlaub in allen erdenklichen Farbtönen. Da nun auch ältere Menschen mit Walkingsstöcken, Jogger, Fahrradfahrer und kinderwagenschiebende Eltern den Weg kreuzten, war uns klar, dass diese alte Bahntrasse, die sich als ausgebauter, komfortable Wanderweg entpuppte, auch einen bequemeren Zugang haben müsste. Sicherheitshalber fragten wir nochmals nach dem Viadukt und los ging das Spazierengehen durch das raschelnde trockene Laub. In Kindertagen fühlte ich mich zurückgesetzt, wo man mit den Füßen die Laubschichten hochstieß und dieses typische Rascheln erzeugte.

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Unmittelbar kurz vor dem Viadukt kam dieser Felseinschnitt. Wenn man nicht weiß, was einen darin erwartet, mutet dieser Blick gespenstisch an.

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Und dann lag es vor uns. Majestätisch und mächtig. Das Viadukt der alten Härtsfeldbahn, insgesamt 85 Meter lang, ca. 25 Meter hoch mit 4 Bögen von je 15 Metern Breite.

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Im Jahr 1900 von 700 Arbeitern errichtet, die Hälfte davon italienische und österreichische Gastarbeiter. Zugleich musste auch das 2. große Bauprojekt der Härtsfeldbahn verwirklicht werden, der 96 Meter lange Wallenhau-Tunnel oder auch Kocherburgtunnel genannt. Derzeit ist der Tunnel verschlossen und zugemauert. Am 31.10.1901 konnte schließlich der reguläre Zugbetrieb auf dem Abschnitt Aalen-Neresheim-Balmertshofen aufgenommen werden. Jedoch endetet der Personenverkehr am 30.09.1972, der Güterverkehr 2 Monate später, schlussendlich wurden die Gleisanlagen demoniert. Wie schön nostalgisch wäre es, mit der „Schättere“, wie die alte schmalspurige Härtsfeldbahn im Volksmund genannt wird, von Aalen über Neresheim bis Dillingen/Donau komplett zu fahren. Beim Recherchieren stoß ich auf die Website vom Verein der Härtsfeld Museumsbahn. Hier könnt ihr nachlesen, wie der gegründete Verein wenigstens z. T. die Eisenbahngeschichte aufleben lässt.

https://www.hmb-ev.de/

Beeindruckende Blicke ergeben sich von der Brücke hinab auf den Weg zurück in den Ort, oder auch auf die Anhöhe, wo die kahlen Baumstämme streichholzgleich im Boden stecken.

Diesen Herbst erlebe ich sehr intensiv, die denke das erste Mal überhaupt. In den vielen Jahren im Ausland sowieso nicht und letztes Jahr um diese Zeit waren wir mit unserem Umzugsgut beschäftigt. Umso schöner, dass das Wetter derzeit mitspielt und daher war dies nur der erste Streich, der nächste folgte zugleich.

Bis gleich, Gruß Karin

Der Leonhardsfriedhof…

in Schwäbisch Gmünd war vorletzten Samstag bei schönstem Herbstwetter mein Ausflugsziel. Ja ich weiß, nicht unbedingt die erste Adresse für Ausflüge, doch die Volkshochschule lud zu einer Führung ein und da ich ja schon des öfteren erwähnte, dass mich ein Friedhof in eine ruhige und friedvolle Stimmung versetzt und ich diese Begräbnisanlage noch gar nicht kannte, war ich natürlich mit dabei. Aufgrund Corona mit Mund-Nasen-Maske und auf ausreichenden Abstand zu den anderen Teilnehmern bedacht, schlenderten wir über 2 Stunden lang an den Grabanlagen vorbei, wobei ich sagen muss, dass wir meistens standen und den interessanten Ausführungen der Stadtführerin Marlene Grimminger lauschten.

St. Leonhard, ein Friedhofskomplex östlich der Altstadt gelegen, eingebettet zwischen B 29 und Remsbahn, bestehend aus dem Leonhardsfriedhof, der gotischen Leonhardskirche und der nachgotischen Herrgottsruhkapelle.

Wie fast in ganz Deutschland, so herrscht auch in Baden-Württemberg Friedhofszwang. Diese über 200 Jahre alte Vorschrift stammt aus einer Zeit, in der nur im Sarg bestattet wurde und man aus Seuchenschutzgründen sicherstellen wollte, dass nur auf dafür vorgesehenen Flächen bestattet wird. Dies sollte sich bei Feuerbestattungen eigentlich erledigt haben, doch das Gesetz hält nach wie vor daran fest. Auch wenn immer wieder an der Auflösung dieser Vorschrift gerüttelt wird. Bremen hat dies geschafft, dort darf z. B. die Asche eines Verstorbenen im eigenen Garten oder unter bestimmten Voraussetzungen im öffentlichen Raum verstreut werden. Doch zurück zu der Stadt Schwäbisch Gmünd und seinen Stadtteilen, die zusammen über 13 Friedhöfe verfügen, wobei inzwischen alle städtisch sind. 17 verschiedene Bestattungsformen werden angeboten, wobei nicht auf allen Friedhöfen alle Varianten zur Verfügung stehen. Seit 1963 erlaubt auch die katholische Kirche die freie Bestattungsform. Ebenso herrscht im Gmünder Stadtraum freie Friedhofswahl und jährlich finden ungefähr 700 Beisetzungen statt. Inzwischen sind dies mehrheitlich Urnenbestattungen. Die Liegezeiten für Urnengräber betragen 15 Jahre, für Erdbestattungen 25. Heutzutage spricht man von einer Grabauflösung, nicht von einer Räumung. Der Gedenkstein oder das Kreuz wird abgenommen, die verbliebenen Überreste werden gesammelt und kommen in einer extra Schicht ganz tief unten ins neu zu belegende Grab. Früher gab es für die ausgegrabenen Knochen ein Beinhaus. Der Zugang zum früheren Beinhaus, einer unteridischen Gewölbeanlage, ist auf dem Leonhardsfriedhof nur noch an einer bodenebenen Abdeckplatte aus Edelstahl erkennbar.

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Der Friedhof besteht seit dem 14. Jhrd. und zählt somit zu einem der ältesten Deutschlands. 1802 verlor Schwäbisch Gmünd den Status der freien Stadt und die bis dato hauptsächlich genutzten innerstädtischen Friedhöfe rund um das Heiligkreuzmünster und die Johanniskirche wurden aus Platz- und gesundheitspolizeilichen Gründen aufgelöst und nun wurde außerhalb der Stadtmauer auf dem 1542 eingeweihten städtischen Leonhardsfriedhof bestattet. Dieser wurde bis dahin als zusätzlicher Friedhof vor allem für die vielen Pest- und Siechenopfer genutzt. Das erste nachweisbare Begräbnis fand hier übrigens schon 1477 statt. Nach und nach wurde der Leonhardsfriedhof erweitert, doch nach dem 2. Weltkrieg war die Kapazität nicht mehr ausreichend und der Dreifaltigkeitsfriedhof, südöstlich der Stadt gelegen und bedeutend größer, wurde eröffnet.

Der Heilige Leonhard, Schutzpatron der Gefangenen und Bauern, aber auch der Gmünder Sensenschmiede. Dies auch deshalb, da die Herstellung und der weite Vertrieb von Gmünder Sensen maßgeblich zum Ansehen und Wohlstand der freien Reichsstadt beigetragen hat.

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Steininschrift     Ketten zu Sensen    Jesaja 2,4

Die Kirche wird erstmals 1345 urkundlich erwähnt und war damals vor den Toren der Stadt für die Pilger, Wallfahrer und Besucher errichtet worden und wohl auch aus vorhandenen Opfer- und Spendengeldern finanziert worden. Erst 1542 wurde sie zur Friedhofskapelle. Linker Hand ist das Meßnerhaus mit angebaut, heute befindet sich dort auch die öffentliche WC Anlage.

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An der Rückseite der Kirche finden sich Gedenktafeln der alteingesessenen einflußreichen Familien Stahl. Die ganze Chronik und die Verknüpfung zu weiteren Würdenträgern der Stadt wurde uns darüber erzählt, leider viel zu viel um sich später im Einzelnen daran zu erinnern.

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Über die Herrgottsruhkapelle kann ich hier keine Auskunft geben, diese wurde nicht thematisiert, wird nicht von der Stadt verwaltet.

Die Aussegnungshalle und Aufbewahrungsräume, umgangssprachlich Leichenhalle, liegt im Norden der Anlage, direkt an der Bahnlinie. Im Jahre 1828 wurde die Beisetzung in Reihengräbern eingeführt und ein kreuzförmiger Weg angelegt, der den Friedhof in 4 Teile gliedert. Für das Aufbewahren der Toten stand eine offene Remise zur Verfügung. Da jedoch größtenteils die Verstorbenen bis zur Beisetzung zu Hause aufgebahrt wurden, wurde diese kaum genutzt. Nur in den weniger seltenen Fällen von Platzmangel oder bei Seuchen wurden die Toten außer Haus gebracht. Erst 1885-1887 wurde eine Leichenhalle errichtet. Das besondere an diesem Gebäude ist, dass in einem Aufbewahrungsraum eine Heizung eingebaut wurde. Damals glaubte man noch an den Scheintot, da nachweislich ein Fall domumentiert wurde, indem jemand begraben wurde und aus dem Sarg Klopfgeräusche vernommen wurden. Sollte nun also ein Totgeglaubter zum Leben erwachen, dann sollte er in dem Aufbewahrungsraum nicht erfrieren, darum die Heizung.

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Nimmt man den westlichen Eingang über die Friedhofstraße, gelangt man zum Ort der Ruhe. Im Zuge der Remstalgartenschau 2019 wurde rund um eine Wasserstelle ein Platz zum Innehalten angelegt. Die Kreise stehen für Zeitlosigkeit ohne Anfang und Ende, die Mitte gilt dem Gedenken, der Trauer und der Ermutigung.

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In direkter Nachbarschaft reihen sich die historischen Grabdenkmäler früherer Bürger der Stadt. Auch Sühnekreuze finden sich hier, wobei eines mit der Jahreszahl 1241 datiert ist.

Einen besonderen Platz nimmt das Kriegerdenkmal vom 06.08.1871 ein, welches an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 erinnert.

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Auch den Gefallenen des I. und II. Weltkrieges wird ein besonderer Platz gewährt.

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Die Gefallenen des II. Weltkrieges

Das Ostlandkreuz vom Bund der Vertriebenen erinnert an die Opfer vom Krieg und der nachfolgenden Flucht und Vertreibung

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Desweiteren sind 16 sogenannte Russengräber zu finden. Gefangene und Zwangsarbeiter aus Russland – wobei nicht sicher ist, ob es sich um echte Gräber oder „nur“ Gedenksteine handelt.

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Natürliche dürfen die Geistlichen hier nicht fehlen, das Feld der verstorbenen Pfarrer

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und das der vielen Ordensschwestern.

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Auf diesem Friedhof wurden berühmte und bekannte Persönlichkeiten bestattet. Zahlreiche Straßennamen, Kreuzungen oder Gebäude wurden nach ihnen benannt. Bestimmt kann nun der eine oder andere Leser eine Verbindung zu bekannten Örtlichkeiten finden:

Folgende Aufstellung bestatteter Persönlichkeiten auf dem Leonhardsfriedhof habe ich hier komplett reinkopiert, die Quelle ist Wikipedia.

Johannes Buhl (1804–1882), Kaufmann, Turnpionier und Feuerwehrpionier.

Johann Baptist Bommas (1816–1893), Komponist und katholischer Pfarrer (Grabstätte aufgelöst; zuletzt 1959 bezeugt)

Anton Pfitzer (1818–1892), Stadtpfarrer und Heimatforscher

Julius Erhard (1820–1898), Fabrikant und Sammler

Adolph Untersee (1842–1893), Oberbürgermeister der Stadt und Landtagsabgeordneter

Bruno Klaus (1848–1915), Lehrer, Politiker und Heimatforscher

Paul Möhler (1852–1929), Zentrums-Politiker und Oberbürgermeister der Stadt

Karl Haußmann (1860–1940), Markscheider, Geomagnetiker und Hochschullehrer

Josef Bidlingmaier (1870–1967), Uhrenfabrikant

Alfred Boppel (1872–1951), Fotograf

Walter Klein (1877–1952), Rektor der Höheren Fachschule für Edelmetallindustrie Schwäbisch Gmünd und Heimatforscher

Hermann Erhard (1883–1968), Fabrikant und Politiker

Albert Deibele (1889–1972), Pädagoge, Heimatforscher und Stadtarchivar von Schwäbisch Gmünd

Konrad Burkhardt (1894–1978), Landrat des Landkreises Schwäbisch Gmünd

Fritz Möhler (1896–1978), Goldschmied und Professor an der Höheren Fachschule für Edelmetallindustrie Schwäbisch Gmünd

Hans Hirner (1906–2004), Kaufmann, Präsident der Deutschen Handelskammer für Spanien

Josef Janota (1911–1994), Politiker

Gebhard Luiz (1913–2013), katholischer Pfarrer

Erich Ganzenmüller (1914–1983), Pädagoge und Politiker

Alfred Lutz (1919–2013), Grafiker, Hochschullehrer und Prorektor der HfG Schwäbisch Gmünd

Peter Spranger (1926–2013), Historiker, Pädagoge, Schulleiter des Scheffold-Gymnasiums Schwäbisch Gmünd

Max Seiz (1927–2020), Bildhauer

Peter C. Schenk (1928–2020), Architekt und Hochschullehrer

Norbert Schoch (1932–2008), Rechtsanwalt und Oberbürgermeister der Stadt

Walter Giers (1937–2016), Licht-, Klang- und Medienkünstler

Hans Kloss (1938–2018), Maler und Grafiker

Und nun dürft ihr endlich die Fotos bestaunen. Markante Grabstätten, imposant, beeindruckend, prunkvoll, liebevoll, demütig – wie immer ihr diese benennen wollt. Darunter auch Gräber o.g. Persönlichkeiten.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Noch vieles hätte ich ablichten können. Einige Zeit auf den Ruhebänken verweilen, unter altem Baumbestand der Stille lauschen, die noch wärmende Sonne des Herbstes genießen obwohl dieser bereits mächtig Einzug hält, doch irgendwann reichte es auch mir. Ich wollte nach Hause.

Ausdrücklich möchte ich hier erwähnen, dass ich alle Fotos selbst fotografiert habe, ohne Auftrag, aus rein privaten Zwecken, nicht kommerziell. Nur aus dem Wunsch, diese inzwischen selten gewordenen Denkmäler festzuhalten – für mich und für meine Leser.

Bleibt behütet und gesund,

Gruß Karin