in Schwäbisch Gmünd war vorletzten Samstag bei schönstem Herbstwetter mein Ausflugsziel. Ja ich weiß, nicht unbedingt die erste Adresse für Ausflüge, doch die Volkshochschule lud zu einer Führung ein und da ich ja schon des öfteren erwähnte, dass mich ein Friedhof in eine ruhige und friedvolle Stimmung versetzt und ich diese Begräbnisanlage noch gar nicht kannte, war ich natürlich mit dabei. Aufgrund Corona mit Mund-Nasen-Maske und auf ausreichenden Abstand zu den anderen Teilnehmern bedacht, schlenderten wir über 2 Stunden lang an den Grabanlagen vorbei, wobei ich sagen muss, dass wir meistens standen und den interessanten Ausführungen der Stadtführerin Marlene Grimminger lauschten.
St. Leonhard, ein Friedhofskomplex östlich der Altstadt gelegen, eingebettet zwischen B 29 und Remsbahn, bestehend aus dem Leonhardsfriedhof, der gotischen Leonhardskirche und der nachgotischen Herrgottsruhkapelle.
Wie fast in ganz Deutschland, so herrscht auch in Baden-Württemberg Friedhofszwang. Diese über 200 Jahre alte Vorschrift stammt aus einer Zeit, in der nur im Sarg bestattet wurde und man aus Seuchenschutzgründen sicherstellen wollte, dass nur auf dafür vorgesehenen Flächen bestattet wird. Dies sollte sich bei Feuerbestattungen eigentlich erledigt haben, doch das Gesetz hält nach wie vor daran fest. Auch wenn immer wieder an der Auflösung dieser Vorschrift gerüttelt wird. Bremen hat dies geschafft, dort darf z. B. die Asche eines Verstorbenen im eigenen Garten oder unter bestimmten Voraussetzungen im öffentlichen Raum verstreut werden. Doch zurück zu der Stadt Schwäbisch Gmünd und seinen Stadtteilen, die zusammen über 13 Friedhöfe verfügen, wobei inzwischen alle städtisch sind. 17 verschiedene Bestattungsformen werden angeboten, wobei nicht auf allen Friedhöfen alle Varianten zur Verfügung stehen. Seit 1963 erlaubt auch die katholische Kirche die freie Bestattungsform. Ebenso herrscht im Gmünder Stadtraum freie Friedhofswahl und jährlich finden ungefähr 700 Beisetzungen statt. Inzwischen sind dies mehrheitlich Urnenbestattungen. Die Liegezeiten für Urnengräber betragen 15 Jahre, für Erdbestattungen 25. Heutzutage spricht man von einer Grabauflösung, nicht von einer Räumung. Der Gedenkstein oder das Kreuz wird abgenommen, die verbliebenen Überreste werden gesammelt und kommen in einer extra Schicht ganz tief unten ins neu zu belegende Grab. Früher gab es für die ausgegrabenen Knochen ein Beinhaus. Der Zugang zum früheren Beinhaus, einer unteridischen Gewölbeanlage, ist auf dem Leonhardsfriedhof nur noch an einer bodenebenen Abdeckplatte aus Edelstahl erkennbar.
Der Friedhof besteht seit dem 14. Jhrd. und zählt somit zu einem der ältesten Deutschlands. 1802 verlor Schwäbisch Gmünd den Status der freien Stadt und die bis dato hauptsächlich genutzten innerstädtischen Friedhöfe rund um das Heiligkreuzmünster und die Johanniskirche wurden aus Platz- und gesundheitspolizeilichen Gründen aufgelöst und nun wurde außerhalb der Stadtmauer auf dem 1542 eingeweihten städtischen Leonhardsfriedhof bestattet. Dieser wurde bis dahin als zusätzlicher Friedhof vor allem für die vielen Pest- und Siechenopfer genutzt. Das erste nachweisbare Begräbnis fand hier übrigens schon 1477 statt. Nach und nach wurde der Leonhardsfriedhof erweitert, doch nach dem 2. Weltkrieg war die Kapazität nicht mehr ausreichend und der Dreifaltigkeitsfriedhof, südöstlich der Stadt gelegen und bedeutend größer, wurde eröffnet.
Der Heilige Leonhard, Schutzpatron der Gefangenen und Bauern, aber auch der Gmünder Sensenschmiede. Dies auch deshalb, da die Herstellung und der weite Vertrieb von Gmünder Sensen maßgeblich zum Ansehen und Wohlstand der freien Reichsstadt beigetragen hat.

Steininschrift Ketten zu Sensen Jesaja 2,4
Die Kirche wird erstmals 1345 urkundlich erwähnt und war damals vor den Toren der Stadt für die Pilger, Wallfahrer und Besucher errichtet worden und wohl auch aus vorhandenen Opfer- und Spendengeldern finanziert worden. Erst 1542 wurde sie zur Friedhofskapelle. Linker Hand ist das Meßnerhaus mit angebaut, heute befindet sich dort auch die öffentliche WC Anlage.
An der Rückseite der Kirche finden sich Gedenktafeln der alteingesessenen einflußreichen Familien Stahl. Die ganze Chronik und die Verknüpfung zu weiteren Würdenträgern der Stadt wurde uns darüber erzählt, leider viel zu viel um sich später im Einzelnen daran zu erinnern.
Über die Herrgottsruhkapelle kann ich hier keine Auskunft geben, diese wurde nicht thematisiert, wird nicht von der Stadt verwaltet.
Die Aussegnungshalle und Aufbewahrungsräume, umgangssprachlich Leichenhalle, liegt im Norden der Anlage, direkt an der Bahnlinie. Im Jahre 1828 wurde die Beisetzung in Reihengräbern eingeführt und ein kreuzförmiger Weg angelegt, der den Friedhof in 4 Teile gliedert. Für das Aufbewahren der Toten stand eine offene Remise zur Verfügung. Da jedoch größtenteils die Verstorbenen bis zur Beisetzung zu Hause aufgebahrt wurden, wurde diese kaum genutzt. Nur in den weniger seltenen Fällen von Platzmangel oder bei Seuchen wurden die Toten außer Haus gebracht. Erst 1885-1887 wurde eine Leichenhalle errichtet. Das besondere an diesem Gebäude ist, dass in einem Aufbewahrungsraum eine Heizung eingebaut wurde. Damals glaubte man noch an den Scheintot, da nachweislich ein Fall domumentiert wurde, indem jemand begraben wurde und aus dem Sarg Klopfgeräusche vernommen wurden. Sollte nun also ein Totgeglaubter zum Leben erwachen, dann sollte er in dem Aufbewahrungsraum nicht erfrieren, darum die Heizung.
Nimmt man den westlichen Eingang über die Friedhofstraße, gelangt man zum Ort der Ruhe. Im Zuge der Remstalgartenschau 2019 wurde rund um eine Wasserstelle ein Platz zum Innehalten angelegt. Die Kreise stehen für Zeitlosigkeit ohne Anfang und Ende, die Mitte gilt dem Gedenken, der Trauer und der Ermutigung.
In direkter Nachbarschaft reihen sich die historischen Grabdenkmäler früherer Bürger der Stadt. Auch Sühnekreuze finden sich hier, wobei eines mit der Jahreszahl 1241 datiert ist.
Einen besonderen Platz nimmt das Kriegerdenkmal vom 06.08.1871 ein, welches an die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 erinnert.
Auch den Gefallenen des I. und II. Weltkrieges wird ein besonderer Platz gewährt.

Die Gefallenen des II. Weltkrieges
Das Ostlandkreuz vom Bund der Vertriebenen erinnert an die Opfer vom Krieg und der nachfolgenden Flucht und Vertreibung
Desweiteren sind 16 sogenannte Russengräber zu finden. Gefangene und Zwangsarbeiter aus Russland – wobei nicht sicher ist, ob es sich um echte Gräber oder „nur“ Gedenksteine handelt.
Natürliche dürfen die Geistlichen hier nicht fehlen, das Feld der verstorbenen Pfarrer
und das der vielen Ordensschwestern.
Auf diesem Friedhof wurden berühmte und bekannte Persönlichkeiten bestattet. Zahlreiche Straßennamen, Kreuzungen oder Gebäude wurden nach ihnen benannt. Bestimmt kann nun der eine oder andere Leser eine Verbindung zu bekannten Örtlichkeiten finden:
Folgende Aufstellung bestatteter Persönlichkeiten auf dem Leonhardsfriedhof habe ich hier komplett reinkopiert, die Quelle ist Wikipedia.
Johannes Buhl (1804–1882), Kaufmann, Turnpionier und Feuerwehrpionier.
Johann Baptist Bommas (1816–1893), Komponist und katholischer Pfarrer (Grabstätte aufgelöst; zuletzt 1959 bezeugt)
Anton Pfitzer (1818–1892), Stadtpfarrer und Heimatforscher
Julius Erhard (1820–1898), Fabrikant und Sammler
Adolph Untersee (1842–1893), Oberbürgermeister der Stadt und Landtagsabgeordneter
Bruno Klaus (1848–1915), Lehrer, Politiker und Heimatforscher
Paul Möhler (1852–1929), Zentrums-Politiker und Oberbürgermeister der Stadt
Karl Haußmann (1860–1940), Markscheider, Geomagnetiker und Hochschullehrer
Josef Bidlingmaier (1870–1967), Uhrenfabrikant
Alfred Boppel (1872–1951), Fotograf
Walter Klein (1877–1952), Rektor der Höheren Fachschule für Edelmetallindustrie Schwäbisch Gmünd und Heimatforscher
Hermann Erhard (1883–1968), Fabrikant und Politiker
Albert Deibele (1889–1972), Pädagoge, Heimatforscher und Stadtarchivar von Schwäbisch Gmünd
Konrad Burkhardt (1894–1978), Landrat des Landkreises Schwäbisch Gmünd
Fritz Möhler (1896–1978), Goldschmied und Professor an der Höheren Fachschule für Edelmetallindustrie Schwäbisch Gmünd
Hans Hirner (1906–2004), Kaufmann, Präsident der Deutschen Handelskammer für Spanien
Josef Janota (1911–1994), Politiker
Gebhard Luiz (1913–2013), katholischer Pfarrer
Erich Ganzenmüller (1914–1983), Pädagoge und Politiker
Alfred Lutz (1919–2013), Grafiker, Hochschullehrer und Prorektor der HfG Schwäbisch Gmünd
Peter Spranger (1926–2013), Historiker, Pädagoge, Schulleiter des Scheffold-Gymnasiums Schwäbisch Gmünd
Max Seiz (1927–2020), Bildhauer
Peter C. Schenk (1928–2020), Architekt und Hochschullehrer
Norbert Schoch (1932–2008), Rechtsanwalt und Oberbürgermeister der Stadt
Walter Giers (1937–2016), Licht-, Klang- und Medienkünstler
Hans Kloss (1938–2018), Maler und Grafiker
Und nun dürft ihr endlich die Fotos bestaunen. Markante Grabstätten, imposant, beeindruckend, prunkvoll, liebevoll, demütig – wie immer ihr diese benennen wollt. Darunter auch Gräber o.g. Persönlichkeiten.
Noch vieles hätte ich ablichten können. Einige Zeit auf den Ruhebänken verweilen, unter altem Baumbestand der Stille lauschen, die noch wärmende Sonne des Herbstes genießen obwohl dieser bereits mächtig Einzug hält, doch irgendwann reichte es auch mir. Ich wollte nach Hause.
Ausdrücklich möchte ich hier erwähnen, dass ich alle Fotos selbst fotografiert habe, ohne Auftrag, aus rein privaten Zwecken, nicht kommerziell. Nur aus dem Wunsch, diese inzwischen selten gewordenen Denkmäler festzuhalten – für mich und für meine Leser.
Bleibt behütet und gesund,
Gruß Karin
So schöne Bilder , mit dem Herbst hat das schon seinen Charme 👍
Danke dir! War auch traumhaftes Wetter