Wiedereinmal zeigt sich, dass sich im Laufe der Jahre doch einiges verändern kann. Frisch aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt, erstaunt mich das Angebot an Oktoberfesten. Seit Ende September bieten die verschiedensten Hotels und Restaurants das Spektakel an, auch das Küstenstädtchen Byblos, was sich einheimisch Jbeil nennt, bot am letzten Wochenende ein Fest der Superlative.

Unter der Schirmherrschaft des Münchener Flughafens, des Münchener Touristikbüros, der Stadt Byblos und dem Pub-Restaurant München aus Beirut fand der Festakt mit dem besonderen Schmankerl statt, dass die bayerische Bierkönigin 2018, Johanna Seiler aus Schwaben, mit anwesend war. Das hörte sich doch alles ganz gut und organisiert an!
Nachdem Joachim die Woche zuvor von einer ähnlichen Feierlichkeit in Beirut mehr oder weniger enttäuscht war, entschlossen wir uns, gemeinsam nach Byblos zu gehen. Um dem üblichen chaotischen und nervenaufreibendem Verkehr am Samstagabend etwas zu entkommen, waren wir bereits pünktlich kurz nach 18 Uhr dort, fanden ganz in der Nähe erstaunlicherweise noch einen Parkplatz und marschierten zur Kasse.
Dort erfuhren wir, dass es zwei Varianten zum Eintrittsgeld gibt. Die eine für 50 Dollar, wofür man Paulaner-Bier bis zum Abwinken bekommt, dazu Brezeln und eine „Deutsche Platte“. Diese beinhaltete verschiedene Grillwürste, Kartoffel- und Krautsalat. Die andere Variante kostete knapp 7 Dollar, dafür bekam man einen kleinen Glaskrug, einmal gefüllt mit Bier. Der Krug durfte dann auch mit nach Hause genommen werden. Alles weitere musste man sich dann kaufen. Die Entscheidung war schnell gefällt, für Joachim die Deluxe Variante, für mich das Sparangebot. Unsere Handgelenke wurden noch je nach Eintrittspreis verschieden farbig mit Bändern markiert und wir traten durch die Sicherheitskontrolle auf das Festgelände.
Unter freiem Himmel, wunderschön beleuchtet mit Lichterketten, original authentischen Biertischgarnituren und Holzbuden wollten wir uns an einem für uns geeigneten Platz niederlassen. Doch da wurden wir bereits vom Personal darauf hingewiesen, dass ich mit meinem grünen Bändchen hinten Platz nehmen dürfte und Joachim sich mit seiner pinkfarbenen (VIP!) Markierung nach der Absperrung im vorderen, der Bühne zugewandten Bereich, setzen dürfte. Ich dachte ich hatte ich mich verhört! Wir sollten dies- und jenseits der Absperrung getrennt voneinander sitzen und uns immer wieder nur zuwinken und je nach Sichtfeld zuprosten können? Auch das Angebot, dass wir beide im hinteren Beireich bleiben könnten, wurde nicht akzeptiert. Der Manager wurde geholt, typisch libanesisch große Diskussion, ein Hin, ein Her und ich bekam letztendlich dann auch ein pinkfarbenes Band und durfte zusammen mit meinem kleinen Glas bei Joachim Platz nehmen. Die Konditionen bezüglich Speisen und Getränke blieben natürlich erhalten und ich hielt sie auch strikt ein.

Da sassen wir dann und beobachteten im fast leeren 1. Klasse Bereich, wie sich die Bänke und Tische im hinteren Bereich immer mehr füllten, bei uns im vorderen sich jedoch nur allmählich etwas tat. Bei diesen Preisen kein Wunder. Da entdeckte ich ein blondes lockiges Madl, verpackt im Dirndl mit Krönchen auf dem Haupt – das konnte doch nur die Bierkönigin sein! Ich marschierte natürlich flugs zu ihr hin, fragte artig, wir stellten uns gegenseitig vor, und wechselten einige Sätze. Sie war unglaublich nett und erzählte auch sofort darauf los, war freudig überrascht vom Libanon – natürlich hörte sie in ihrer Heimat die gängigen negativen Ratschläge bezüglich Reisen im Libanon – ansonsten humpelte die Arme mit Orthese auf Krücken, da sich sich kurz vor ihrem Ablug noch eine schlimme Fußverletzung zuzog. Ehrensache, dass ich mit ihr zusammen ein Selfie schoss.

An der Grillstation bemühte man sich doch immerhin kurz vor 7 Uhr, die Holzkohle zum Glühen zu bringen, die Bühne war noch unbesetzt, die Spezialisten an den Mischpulten spielten lautstark Musik ein, die eher in einen Club als auf eine „Festwiese“ gehörten. Doch muss ich zu deren Verteidigung auch erwähnen, dass einmal sogar ganz kurz die Helene auf Deutsch atemlos hörbar war, doch leider konnte fast niemand mitsingen und somit schwappte die Musik wieder ins Englische über. Doch die Menschen hatten ihren Spaß, das Personal war eifrig dabei, die leeren Krüge zu füllen, auch ich marschierte irgendwann los und ließ die Luft aus meinem Krügchen. Am Grillstand im Abteil der Arbeiterklasse stapelten sich auf einer Platte die fertig gegrillten aus Deutschland importierten Schweinewürste und somit entschied ich mich kurzerhand für mein Abendessen, denn die Jungs im VIP Bereich fächelten der Kohle immer noch Luft zu in der Hoffnung, die Würste endlich auf den Grill zu bekommen. Leider bekam mein armes Würstchen nur ein schlaffes Hotdog-Brötchen als Partner, die Wurst war bereits erkaltet, aber immerhin war es eine gute deutsche Wurst, die mein Gaumen auch gewöhnt war und mochte.
Irgendwann marschierte dann die bayerische Musikkapelle auf die Bühne und als die ersten Klänge ertönten schaute das, vorwiegend, libanesische Volk doch recht seltsam aus der Wäsche, gewöhnte sich jedoch recht schnell an die Musik.


Etwas seltsam fand ich dann doch eher den Sprecher der Gruppe. In sehr schlechtem Englisch und extrem bayrischem Dialekt versuchte er die Besucher zum Mitmachen zu animieren, was anfangs eher in eine etwas peinliche Reaktion endete, zum Schluss jedoch eher in das Gegenteil. Mit Biegen und Brechen wurde anfangs ein Mädchen aus Byblos zum Musikspiel auf die Bühne gerufen, sie war so peinlich berührt, dass sie vorzeitig wieder von dannen ziehen wollte. Zum Schluss des Auftritts wurden 8 Mädels gesucht und ein Vielfaches bestürmte die Bretter die die Welt bedeuten, machten mit grosser Freude mit und posierten natürlich genau so gerne vor den Kameras für die Erinnerungsfotos. Im Allgemeinen versuchen die Libanesen mit einer ungewohnten Situation schnell klar zu kommen, das beste daraus zu machen und außerdem noch Spaß daran zu haben.
Der Zustrom auf dem Festgelände war enorm! Der hintere Bereich war voll, die Leute mussten stehen, vorne war mehr als genügend Platz, somit hieß es für uns, unsere Plätze noch weiter nach vorne zu verlegen, die Absperrung kam ebenso weiter nach vorne, das Volk hatte Platz! Am Tag zuvor wurde die Absperrung entfernt, was sich als fataler Fehler erwiesen hatte, das Bier kippte unkontrolliert von den Maßkrügen in die kleinen Glaskrüge, die Maßkrüge wurden gestohlen, es herrschte wohl ein grosses Durcheinander, deshalb wurde beschlossen, die Trennung auf jeden Fall beizubehalten.
Desweiteren waren noch andere libanesische Musikgruppen zu Gast. „Normale Musik“, fern ab von Jodeln und Kuhglocken-Musik. Die Stimmung stieg, die Menschen johlten und tanzten auf den Tischen.
Irgendwann gesellte sich zu all dem Bier beim hungrigen Göttergatten auch seine „Deutsche Platte“,

gönnerhaft schob er mir immer wieder einen Wursthappen in den Mund, natürlich wurde der Kartoffel- und Krautsalat als nicht gut jedoch essbar befunden – was hatte er erwartet?- die Brezeln im Körbchen waren zwischenzeitlich steinhart und zäh – aber es ist wie es ist – ich finde es schon großartig, dass versucht wird, etwas auf die Beine zu stellen, die Betreiber können nur dabei lernen, dass es im nächsten Jahr optimiert wird.
Irgendwann versuchte das viele Bier im Durchfluss auch wieder auf anderen Wegen herauszukommen. Und abermals traute ich meinen Augen nicht, es gab richtige Toilettenwagen! Wie sollte es auch anders sein – nur die deluxe-Ausgabe war gut genug für diesen Abend, inclusive Service-Frau und Service-Mann! Davon hatte ich hier im Libanon ebenso noch nie gehört oder gesehen. Ich kann mich nur wundern.
Das war es, das Oktoberfest Byblos 2018!

Auf die Schwaben im Libanon beim bayerischen Oktoberfest! Oans – zwoa – drei – gsuffa!