Im Himmel wird Tischtennis gespielt…

… und ab und an fällt ein Ball auf die Erde.

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Meine Hand

So hat es sich am Mittag des 25.10.2018 angefühlt, als für 5 Minuten das totale Chaos herrschte. Wie auf Knopfdruck öffneten sich die Schleusen und verheerende Wassermassen, Hagel, Blitz und Donner verursachten z. T. massive Schäden.

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An der überdachten Terrassentür läuft das Wasser in Strömen die Scheibe entlang – es kam von allen Richtungen.

Nachdem die Wettervorhersage schon Gewitterstürme ankündigte, wurde ich kurz vorher nochmals telefonisch gewarnt, auf dem Balkon Tisch und Stühle zu sichern, es sollte etwas Grösseres erwartet werden. Flüge waren bereits anuliert, der Hafen war gesperrt – da wurde ich hellhörig. Gerade wollte ich noch den letzten Rollladen im Schlafzimmer schließen, da stand ich auch schon sprachlos am Fenster und staunte nur noch Bauklötze – bis ich dann die Tischtennisbälle sah. Es toste und krachte, die Fensterläden erzitterten, ich dachte draußen bearbeitet jemand mit dem Vorschlaghammer die Jalousien.

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Plötzlich war es vorbei, die große Terrasse hinter den Schlafräumen war überflutet, ich musste raus und die Abflüsse von herabgefallenen Piniennadeln und Laub entfernen, denn es grollte und donnerte weiterhin und ich wollte vermeiden, dass das Wasser in die Schlafräume eindringt.

Stundenlang war ich beschäftigt, in den kommenden Regenpausen hinauszuwaten und den Wasserablauf zu sichern, gleichzeitig lief im Büro an den Schiebefenstern das Wasser die Wand entlang, auf dem Wohnzimmerbalkon sah es aus wie nach einem Tornado. Die Pflanzen beinahe zerfetzt, die Marmorfliesen übersät mit grünen Pflanzenresten – so etwas hatte ich noch nie erlebt!

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Die Sicht hinab von unserem Wohnzimmerbalkon

Zum Glück war mein Auto überdacht geparkt, zu viele Blechschäden gab es für diese paar Minuten. Die Fenster der verglasten Einkaufszentren wurden vom Hagel eingeschlagen und die Wassermassen konnten sich ungehindert in den Geschäften, Cafes und Restaurant verteilen, Baugerüste stürzten ein, Dächer wurden abgedeckt – die massiven Schäden von herabströmenden Wassermassen kann sich jeder selbst ausdenken. Die solarbetriebenen Straßenlaternen außer Funktion, das ohnehin schon sehr langsame Internet geht seither nur noch etappenweise.

Im Süden des Landes, auch im Norden in Tripoli – kein einziger Regentropfen! Tja, die da oben können schließlich nicht überall gleichzeitig Tischtennis spielen!

In diesem Sinne, lasst euch bitte Zeit bis zum nächsten Aufschlag!

Gruß Karin

 

 

 

 

 

Glanz und Zauber vergangener Zeit des Grand Hotel Sofar

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Gestern erlebten wir eine Zeitreise der besonderen Art. Wir, meine Freundin Anne, mein lieber Mann und ich selbst. Nachdem meine Pilates-Mitstreiterinnen vergangene Woche so sehr von einem alten Grand Hotel und einer Ausstellung schwärmten und es unendlich bedauerten, dass diese ja leider schon beendet worden sei und ich somit diese Gemälde in dieser besonderen Atmosphäre leider nicht sehen konnte, wurde ich natürlich neugierig. Tja, da hatten die Damen die Rechnung leider ohne das detektivische Gespür von Anne und mir gemacht! Dank des weltweiten Netzes konnten wir in Erfahrung bringen, dass aufgrund grosser Nachfrage diese Ausstellung um eine Woche verlängert wurde und somit auch wir noch in diesen Genuss kamen. Ja – Genuss! Denn es war ein Schmaus für die Augen, für die Sinne und das Gehirn – welches sich in die Zeit der glamourösen goldenen 20er- und beschwingten 60er-Jahre des letzten Jahrtausends zurückversetzen konnte.

Doch zunächst einige Erklärungen zu diesem legendären The Grand Hotel Casino Ain Sofar. Es wurde von der berühmten und einflussreichen Familie Sursock im Jahre 1892 im Ort Ain Sofar erbaut. Etwa 30 km östlich von Beirut entfernt, direkt auf der Hauptverbindungsstraße Beirut-Damaskus, liegt es auf ca. 1300 Höhenmetern.  Für Jahrzehnte war es das berühmteste Hotel im Mittleren Osten. Könige und Emire, Künstler, Schauspieler, Prominente und Diplomaten aus aller Welt ruhten und schlummerten nicht nur in den Zimmern, sondern wurden auch zu Gesang, Tanz und Poker gelockt. Denn dieses Hotel erhielt zu damaliger Zeit als einziges im Libanon die Lizenz zum Glücksspiel.

Besonders praktisch für die zahlreichen Besucher war die direkte Anbindung an die Bahnlinie. Welch ein Luxus und Fortschritt zu damaliger Zeit, wo doch heutzutage keinerlei Bahnverkehr mehr existiert geschweige denn Bahnlinien mehr vorhanden sind! Das Verkehrschaos im Land wäre um einiges dezimiert – doch dies ist ein anderes Thema.

Den Sommer über blieben die Gäste oft bis zu drei Monaten, sie entflohen somit der Hitze des Mittleren Ostens, dazu musste sich die weite und beschwerliche Reise auch lohnen!

Mühelos können auch heute noch durch die Korridore der 75 Zimmern des Grand Hotels die geheimnisvollen Absprachen und Machenschaften zwischen Generälen und Ministern gehört werden und die Liebesaffären mit Berühmtheiten im Schutze der Monkey Bar beobachtet werden. Leider war der Zutritt nur im Erdgeschoss gestattet, zu gerne hätte ich auch einen Blick in eines der Gästezimmer werfen mögen.

Leider war das Hotel Opfer des Bürgerkrieges. Unter Beschuss, von Vandalen malträtiert und geplündert, außerdem diente es als Hauptquartier der syrischen Armee. Doch ein Mitglied der Familie Sursock hat es ab 2014 so weit wieder in einen sicheren Zustand gebracht um die Pforten für Kunstausstellungen, Hochzeiten und Empfänge zu öffnen und somit wird dem breiten Publikum erneut Zugang gewährt. Ein regenfestes Dach, Deckenabstützung durch Drahtgitter, Elektrizität und moderne Toilettenanlagen lassen die zahlreichen begeisterten Besucher und Fotografen sicher und bequem durch die Etage flanieren. Die Obergeschosse sind in solchem desolaten Zustand, dass diese wohl für längere Zeit der Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Doch die große Terrasse und vor allem der weitläufige Park sollen nach und nach wieder in Ordnung gebracht werden.

Der Künstler Tom Young stellt hier derzeit 40 Leinwand-Gemälde aus und in Zusammenarbeit mit einem Kurator und einem Bühnenbildner werden die Besucher in die Zeit von damals zurückversetzt. Gemälde und Umfeld bilden eine Einheit, durch Requisiten in den entsprechenden Räumen und den passenden Bildern dazu, konnte ich mühelos Mäuschen spielen. Ebenso wird ein Film in Endlosschleife gezeigt. Der Initiator berichtet über das Projekt, Original-filme und -fotos aus der Vergangenheit des Hotels und Interviews mit Zeitzeugen geben dem Ganzen nochmal ein weiteres Gesicht.

Nachfolgend seht ihr nun einige Fotos. Zwischen den Textpassagen hätte es nicht so gepasst, da weiterführende Erklärungen gefehlt hätten. Lehnt euch somit zurück und lasst euch verzaubern vom Glanz der vergangenen Zeit.

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Der Außenbereich des Hotels ist begehbar. An mehreren bereits restaurierten Rundbogenfenstern wird klar, wie schön das Haus einmal sein könnte. Alte Bäume – unter anderem eine riesige Zeder – stehen mächtig als stumme Zeugen der Geschehnisse im Garten. Was sie wohl alles erlebt hatten?

Ein geschäftstüchtiger Bäcker einige Häuser weiter, hatte seinen Verkaufsstand kurzerhand auf die Terrasse des Anwesens verlegt. Neben Hochstapelei ließen auch wir uns die leckeren Manouche Zaatar schmecken – köstlich!

Besonders erwähnenswert sind die Details um das Bahn fahren. Auf den Fotos sieht man die Lage des Bahnhofs und des Hotels.

Diesem Thema wurde im Hotel eine eigene Nische gewährt. Dank Postkarten, alten Aufzeichnungen, Fahrplänen, Bestelllisten und dergleichen konnte dem Besucher vieles klarer dargestellt werden. Vielleicht liest ein Nachkomme von Carl Felix aus Kassel hier mit und meldet sich?

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Fahrplan Beirut-Rayak

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Deutsche Grüsse

Zuletzt besichtigten wir natürlich noch den verbliebenen Bahnhof. Das Wärterhäuschen steht noch, auch der Wasserturm. Wo ehemals die Gleise verliefen, wächst heute schöner Rasen.

 

 

Wünschen wir uns somit am Ende dieser herrlichen Besichtigung, dass noch mehreren erhaltungswürdigen Bauten ein ehrendes Denkmal gesetzt wird. Dass die Libanesen weiterhin aufgeschlossen bleiben, den Mut haben ein Wagnis einzugehen und neue Wege einzuschlagen. Fern ab der Abrissbirne und Planierraupe, damit auch die Kinder der Kinder noch den Glanz und den Zauber der Vergangenheit spüren.

Gruß Karin

 

 

 

Der etwas andere Erntedankgottesdienst

Seit Jahren ist es in der Evangelischen Gemeinde zu Beirut Tradition geworden, dass der Gottesdienst zum Erntedankfest im Hotel Russli bei Familie Aramouni in Broummana gefeiert wird. Nach Angaben des heutigen Besitzers, stammte seine Großmutter aus Deutschland, der Großvater aus der Schweiz. Die beiden hatten im Jahre 1930 das Hotel eröffnet. Der ursprüngliche Hotelbau diente nach dem großen Neubau nicht mehr als Gästeunterkunft, der besondere Charme ist jedoch bis heute erhalten geblieben.

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Das ursprüngliche Hotel Russli

Irgendwann kam unter der Mithilfe der Mutter des jetzigen Besitzers die Tradition auf, dass das Erntedankfest in den Räumen oder im Garten des Hotels stattfindet. Der Mutter, die inzwischen verstorben ist, wird somit heute noch ein Denkmal gesetzt.

Der große Hotelneubau ist inzwischen sehr in die Jahre gekommen und etwas antiquiert. Die Einrichtung im 50er- und 60er-Jahre Stil jedoch sehr gepflegt und eigentlich weiß man nicht so richtig, ob im Haus überhaupt noch Gäste aufgenommen werden. Alles deutet jedoch darauf hin, dass noch reger Betrieb herrscht. Beim Eintreten in die Lobby fällt die gut bestückte Hausbar auf, aus der Küche kommen verführerische Düfte und lautstarkes Geschirrgeklapper und hie und da wuselt jemand mit einem Besen oder Staubmopp umher. Eigentlich könnte ich mir direkt ein Filmteam vorstellen, die Kulissen wären komplett vorhanden.

Doch zurück zum eigentlichen Thema. Die Mitteilung im monatlich erscheinenden Rundbrief der Gemeinde kündigte einen Familiengottesdienst mit Abendmahlsfeier an, im Anschluss geselliges Beisammensein, wobei ein jeder etwas für das leibliche Wohl beisteuert. Dieses Jahr dann mit unserem frisch ins Amt eingesetzten Pfarrer Jürgen Henning. Da wollte ich doch auch mit von der Partie sein, zumal mein Anfahrtsweg gerade einmal 3 Minuten Autofahrt in Anspruch nimmt – optimaler kann es ja nicht sein.

Nach der etwas kürzeren Nacht, denn am Abend zuvor war ich noch in Byblos auf dem Oktoberfest, bereitete ich am Morgen noch meinen besonderen Nudelsalat vor und machte mich auf zum Hotel. Auf den Parkplätzen standen schon mehrere Autos, im Garten inmitten der Pinienbäume war für mehrere Personen aufgestuhlt und dann erblickte ich auch schon unter dem Dach der Pinien den sehr schön vorbereiteten Erntedankaltar und liebliche leise Musiktöne strömten mir entgegen. Aha – der Gottesdienst findet also im Freien statt, sehr schön und was für ein Glück, dass das Wetter auch mitspielt. Und welch entspannte und friedliche Atmosphäre! Und als mir dann noch meine Freundin Bettina entgegenlief und wir uns nach drei Monaten gesund, munter, glücklich und fidel in die Arme schließen konnten – da stimmte doch einfach (fast) alles. Bei dieser Gelegenheit wurde mir dann auch der neue Pfarrer vorgestellt, denn zu seiner Amtseinführung vier Wochen zuvor war ich ja leider nicht da.

Kurz noch einige andere bekannte Gottesdienstbesucher begrüsst, Sitzplatz auserkoren, aus einer reichhaltigen Farbenpalette das Liedblatt ausgesucht und dann erhielten wir von Jürgen noch nähere Erklärungen zur Liturgie und stimmten jedes Lied kurz an.

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Schaut mal, wohin der Sonnenstrahl fällt!

Der Gottesdienst konnte beginnen. Mehrer Kinder setzten sich zu ihren Eltern, hüpften jedoch wieder von dannen um kurze Zeit später wieder für einen kleinen Augenblick zur Gemeinschaft zurückzukehren. Der treue vierbeinige Begleiter einer Dame hinter mir wollte nicht so recht neben ihrem Stuhl Platz nehmen, die Düfte vom vorbereiteten Büffet waren für den kleinen Wauwau wohl zu verlockend. Unter Mitwirkung von einigen Gottesdienstbesuchern beim Vorlesen von Texten, musikalischer Begleitung vom Band und unserer aktiven Sichtbarmachung des Regenbogens bekamen wir dann doch Probleme beim Singen, denn Dutzende von Piepmätzen im Piniendach über uns, versuchten stimmgewaltig unseren Gesang und Musik zu übertönen. Was für ein lebendiger und erfrischender Gottesdienst, hier war Gottes Schöpfung wahrlich spürbar!

Im Halbkreis vor dem Altar beim Abendmahl sah ich dann auch, dass die Anzahl der Besucher ganz beachtlich war, inklusive der Kinder müssten es um die 35-40 Personen gewesen sein. Wünschenswert, wenn jeden Sonntag so viele zusammenkommen könnten.

Die leckeren mitgebrachten Speisen unterschiedlichster Art wurden von allen dankbar angenommen und verspeist.

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Das Hotel kochte uns Wasser für den Kaffee oder Tee. Wasser, Softdrinks, sogar Wein gab es zur Auswahl. Die neuen wiederverwendbaren Trinkbecher der Gemeinde wurden benützt, auch richtiges Besteck wurde verwendet – auch hier wird löblicherweise versucht, dem Müllberg entgegenzutreten.

Nette Gespräche, Neuigkeiten, Tratsch und Klatsch und witzige Anekdoten wurden ausgetauscht. Es waren sehr schöne und gesellige Stunden die wir verbringen konnten.

Auch wenn es in der Gemeinde inzwischen sicherlich zur Gewohnheit geworden ist – auf diese Weise das Erntedankfest zu feiern – ist etwas ganz besonderes!

Hoffen wir, dass wir auch im nächsten Jahr in Frieden DANKE zu einer reichhaltigen Ernte sagen dürfen!

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Gruß, Karin

 

 

Oktoberfest in Byblos

Wiedereinmal zeigt sich, dass sich im Laufe der Jahre doch einiges verändern kann. Frisch aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt, erstaunt mich das Angebot an Oktoberfesten. Seit Ende September bieten die verschiedensten Hotels und Restaurants das Spektakel an, auch das Küstenstädtchen Byblos, was sich einheimisch Jbeil nennt, bot am letzten Wochenende ein Fest der Superlative.

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Unter der Schirmherrschaft des Münchener Flughafens, des Münchener Touristikbüros, der Stadt Byblos und dem Pub-Restaurant München aus Beirut fand der Festakt mit dem besonderen Schmankerl statt, dass die bayerische Bierkönigin 2018, Johanna Seiler aus Schwaben, mit anwesend war. Das hörte sich doch alles ganz gut und organisiert an!

Nachdem Joachim die Woche zuvor von einer ähnlichen Feierlichkeit in Beirut mehr oder weniger enttäuscht war, entschlossen wir uns, gemeinsam nach Byblos zu gehen. Um dem üblichen chaotischen und nervenaufreibendem Verkehr am Samstagabend etwas zu entkommen, waren wir bereits pünktlich kurz nach 18 Uhr dort, fanden ganz in der Nähe erstaunlicherweise noch einen Parkplatz und marschierten zur Kasse.

Dort erfuhren wir, dass es zwei Varianten zum Eintrittsgeld gibt. Die eine für 50 Dollar, wofür man Paulaner-Bier bis zum Abwinken bekommt, dazu Brezeln und eine „Deutsche Platte“. Diese beinhaltete verschiedene Grillwürste, Kartoffel- und Krautsalat. Die andere Variante kostete knapp 7 Dollar, dafür bekam man einen kleinen Glaskrug, einmal gefüllt mit Bier. Der Krug durfte dann auch mit nach Hause genommen werden. Alles weitere musste man sich dann kaufen. Die Entscheidung war schnell gefällt, für Joachim die Deluxe Variante, für mich das Sparangebot. Unsere Handgelenke wurden noch je nach Eintrittspreis verschieden farbig mit Bändern markiert und wir traten durch die Sicherheitskontrolle auf das Festgelände.

Unter freiem Himmel, wunderschön beleuchtet mit Lichterketten, original authentischen Biertischgarnituren und Holzbuden wollten wir uns an einem für uns geeigneten Platz niederlassen. Doch da wurden wir bereits vom Personal darauf hingewiesen, dass ich mit meinem grünen Bändchen hinten Platz nehmen dürfte und Joachim sich mit seiner pinkfarbenen (VIP!) Markierung nach der Absperrung im vorderen, der Bühne zugewandten Bereich, setzen dürfte. Ich dachte ich hatte ich mich verhört! Wir sollten dies- und jenseits der Absperrung getrennt voneinander sitzen und uns immer wieder nur zuwinken und je nach Sichtfeld zuprosten können? Auch das Angebot, dass wir beide im hinteren Beireich bleiben könnten, wurde nicht akzeptiert. Der Manager wurde geholt, typisch libanesisch große Diskussion, ein Hin, ein Her und ich bekam letztendlich dann auch ein pinkfarbenes Band und durfte zusammen mit meinem kleinen Glas bei Joachim Platz nehmen. Die Konditionen bezüglich Speisen und Getränke blieben natürlich erhalten und ich hielt sie auch strikt ein.

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Da sassen wir dann und beobachteten im fast leeren 1. Klasse Bereich, wie sich die Bänke und Tische im hinteren Bereich immer mehr füllten, bei uns im vorderen sich jedoch nur allmählich etwas tat. Bei diesen Preisen kein Wunder. Da entdeckte ich ein blondes lockiges Madl, verpackt im Dirndl mit Krönchen auf dem Haupt – das konnte doch nur die Bierkönigin sein! Ich marschierte natürlich flugs zu ihr hin, fragte artig, wir stellten uns gegenseitig vor, und wechselten einige Sätze. Sie war unglaublich nett und erzählte auch sofort darauf los, war freudig überrascht vom Libanon – natürlich hörte sie in ihrer Heimat die gängigen negativen Ratschläge bezüglich Reisen im Libanon – ansonsten humpelte die Arme mit Orthese auf Krücken, da sich sich kurz vor ihrem Ablug noch eine schlimme Fußverletzung zuzog. Ehrensache, dass ich mit ihr zusammen ein Selfie schoss.

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An der Grillstation bemühte man sich doch immerhin kurz vor 7 Uhr, die Holzkohle zum Glühen zu bringen, die Bühne war noch unbesetzt, die Spezialisten an den Mischpulten spielten lautstark Musik ein, die eher in einen Club als auf eine „Festwiese“ gehörten.  Doch muss ich zu deren Verteidigung auch erwähnen, dass einmal sogar ganz kurz die Helene auf Deutsch atemlos hörbar war, doch leider konnte fast niemand mitsingen und somit schwappte die Musik wieder ins Englische über. Doch die Menschen hatten ihren Spaß, das Personal war eifrig dabei, die leeren Krüge zu füllen, auch ich marschierte irgendwann los und ließ die Luft aus meinem Krügchen. Am Grillstand im Abteil der Arbeiterklasse stapelten sich auf einer Platte die fertig gegrillten aus Deutschland importierten Schweinewürste und somit entschied ich mich kurzerhand für mein Abendessen, denn die Jungs im VIP Bereich fächelten der Kohle immer noch Luft zu in der Hoffnung, die Würste endlich auf den Grill zu bekommen. Leider bekam mein armes Würstchen nur ein schlaffes Hotdog-Brötchen als Partner, die Wurst war bereits erkaltet, aber immerhin war es eine gute deutsche Wurst, die mein Gaumen auch gewöhnt war und mochte.

Irgendwann marschierte dann die bayerische Musikkapelle auf die Bühne und als die ersten Klänge ertönten schaute das, vorwiegend, libanesische Volk doch recht seltsam aus der Wäsche, gewöhnte sich jedoch recht schnell an die Musik.

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Etwas seltsam fand ich dann doch eher den Sprecher der Gruppe. In sehr schlechtem Englisch und extrem bayrischem Dialekt versuchte er die Besucher zum Mitmachen zu animieren, was anfangs eher in eine etwas peinliche Reaktion endete, zum Schluss jedoch eher in das Gegenteil. Mit Biegen und Brechen wurde anfangs ein Mädchen aus Byblos zum Musikspiel auf die Bühne gerufen, sie war so peinlich berührt, dass sie vorzeitig wieder von dannen ziehen wollte. Zum Schluss des Auftritts wurden 8 Mädels gesucht und ein Vielfaches bestürmte die Bretter die die Welt bedeuten, machten mit grosser Freude mit und posierten natürlich genau so gerne vor den Kameras für die Erinnerungsfotos. Im Allgemeinen versuchen die Libanesen mit einer ungewohnten Situation schnell klar zu kommen, das beste daraus zu machen und außerdem noch Spaß daran zu haben.

Der Zustrom auf dem Festgelände war enorm! Der hintere Bereich war voll, die Leute mussten stehen, vorne war mehr als genügend Platz, somit hieß es für uns, unsere Plätze noch weiter nach vorne zu verlegen, die Absperrung kam ebenso weiter nach vorne, das Volk hatte Platz! Am Tag zuvor wurde die Absperrung entfernt, was sich als fataler Fehler erwiesen hatte, das Bier kippte unkontrolliert von den Maßkrügen in die kleinen Glaskrüge, die Maßkrüge wurden gestohlen, es herrschte wohl ein grosses Durcheinander, deshalb wurde beschlossen, die Trennung auf jeden Fall beizubehalten.

Desweiteren waren noch andere libanesische Musikgruppen zu Gast. „Normale Musik“, fern ab von Jodeln und Kuhglocken-Musik.  Die Stimmung stieg, die Menschen johlten und tanzten auf den Tischen.

Irgendwann gesellte sich zu all dem Bier beim hungrigen Göttergatten auch seine „Deutsche Platte“,

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gönnerhaft schob er mir immer wieder einen Wursthappen in den Mund, natürlich wurde der Kartoffel- und Krautsalat als nicht gut jedoch essbar befunden – was hatte er erwartet?- die Brezeln im Körbchen waren zwischenzeitlich steinhart und zäh – aber es ist wie es ist – ich finde es schon großartig, dass versucht wird, etwas auf die Beine zu stellen, die Betreiber können nur dabei lernen, dass es im nächsten Jahr optimiert wird.

Irgendwann versuchte das viele Bier im Durchfluss auch wieder auf anderen Wegen herauszukommen. Und abermals traute ich meinen Augen nicht, es gab richtige Toilettenwagen! Wie sollte es auch anders sein – nur die deluxe-Ausgabe war gut genug für diesen Abend, inclusive Service-Frau und Service-Mann! Davon hatte ich hier im Libanon ebenso noch nie gehört oder gesehen. Ich kann mich nur wundern.

Das war es, das Oktoberfest Byblos 2018!

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Auf die Schwaben im Libanon beim bayerischen Oktoberfest! Oans – zwoa – drei – gsuffa!