Seit Jahren ist es in der Evangelischen Gemeinde zu Beirut Tradition geworden, dass der Gottesdienst zum Erntedankfest im Hotel Russli bei Familie Aramouni in Broummana gefeiert wird. Nach Angaben des heutigen Besitzers, stammte seine Großmutter aus Deutschland, der Großvater aus der Schweiz. Die beiden hatten im Jahre 1930 das Hotel eröffnet. Der ursprüngliche Hotelbau diente nach dem großen Neubau nicht mehr als Gästeunterkunft, der besondere Charme ist jedoch bis heute erhalten geblieben.

Das ursprüngliche Hotel Russli
Irgendwann kam unter der Mithilfe der Mutter des jetzigen Besitzers die Tradition auf, dass das Erntedankfest in den Räumen oder im Garten des Hotels stattfindet. Der Mutter, die inzwischen verstorben ist, wird somit heute noch ein Denkmal gesetzt.
Der große Hotelneubau ist inzwischen sehr in die Jahre gekommen und etwas antiquiert. Die Einrichtung im 50er- und 60er-Jahre Stil jedoch sehr gepflegt und eigentlich weiß man nicht so richtig, ob im Haus überhaupt noch Gäste aufgenommen werden. Alles deutet jedoch darauf hin, dass noch reger Betrieb herrscht. Beim Eintreten in die Lobby fällt die gut bestückte Hausbar auf, aus der Küche kommen verführerische Düfte und lautstarkes Geschirrgeklapper und hie und da wuselt jemand mit einem Besen oder Staubmopp umher. Eigentlich könnte ich mir direkt ein Filmteam vorstellen, die Kulissen wären komplett vorhanden.
Doch zurück zum eigentlichen Thema. Die Mitteilung im monatlich erscheinenden Rundbrief der Gemeinde kündigte einen Familiengottesdienst mit Abendmahlsfeier an, im Anschluss geselliges Beisammensein, wobei ein jeder etwas für das leibliche Wohl beisteuert. Dieses Jahr dann mit unserem frisch ins Amt eingesetzten Pfarrer Jürgen Henning. Da wollte ich doch auch mit von der Partie sein, zumal mein Anfahrtsweg gerade einmal 3 Minuten Autofahrt in Anspruch nimmt – optimaler kann es ja nicht sein.
Nach der etwas kürzeren Nacht, denn am Abend zuvor war ich noch in Byblos auf dem Oktoberfest, bereitete ich am Morgen noch meinen besonderen Nudelsalat vor und machte mich auf zum Hotel. Auf den Parkplätzen standen schon mehrere Autos, im Garten inmitten der Pinienbäume war für mehrere Personen aufgestuhlt und dann erblickte ich auch schon unter dem Dach der Pinien den sehr schön vorbereiteten Erntedankaltar und liebliche leise Musiktöne strömten mir entgegen. Aha – der Gottesdienst findet also im Freien statt, sehr schön und was für ein Glück, dass das Wetter auch mitspielt. Und welch entspannte und friedliche Atmosphäre! Und als mir dann noch meine Freundin Bettina entgegenlief und wir uns nach drei Monaten gesund, munter, glücklich und fidel in die Arme schließen konnten – da stimmte doch einfach (fast) alles. Bei dieser Gelegenheit wurde mir dann auch der neue Pfarrer vorgestellt, denn zu seiner Amtseinführung vier Wochen zuvor war ich ja leider nicht da.
Kurz noch einige andere bekannte Gottesdienstbesucher begrüsst, Sitzplatz auserkoren, aus einer reichhaltigen Farbenpalette das Liedblatt ausgesucht und dann erhielten wir von Jürgen noch nähere Erklärungen zur Liturgie und stimmten jedes Lied kurz an.

Schaut mal, wohin der Sonnenstrahl fällt!
Der Gottesdienst konnte beginnen. Mehrer Kinder setzten sich zu ihren Eltern, hüpften jedoch wieder von dannen um kurze Zeit später wieder für einen kleinen Augenblick zur Gemeinschaft zurückzukehren. Der treue vierbeinige Begleiter einer Dame hinter mir wollte nicht so recht neben ihrem Stuhl Platz nehmen, die Düfte vom vorbereiteten Büffet waren für den kleinen Wauwau wohl zu verlockend. Unter Mitwirkung von einigen Gottesdienstbesuchern beim Vorlesen von Texten, musikalischer Begleitung vom Band und unserer aktiven Sichtbarmachung des Regenbogens bekamen wir dann doch Probleme beim Singen, denn Dutzende von Piepmätzen im Piniendach über uns, versuchten stimmgewaltig unseren Gesang und Musik zu übertönen. Was für ein lebendiger und erfrischender Gottesdienst, hier war Gottes Schöpfung wahrlich spürbar!
Im Halbkreis vor dem Altar beim Abendmahl sah ich dann auch, dass die Anzahl der Besucher ganz beachtlich war, inklusive der Kinder müssten es um die 35-40 Personen gewesen sein. Wünschenswert, wenn jeden Sonntag so viele zusammenkommen könnten.
Die leckeren mitgebrachten Speisen unterschiedlichster Art wurden von allen dankbar angenommen und verspeist.
Das Hotel kochte uns Wasser für den Kaffee oder Tee. Wasser, Softdrinks, sogar Wein gab es zur Auswahl. Die neuen wiederverwendbaren Trinkbecher der Gemeinde wurden benützt, auch richtiges Besteck wurde verwendet – auch hier wird löblicherweise versucht, dem Müllberg entgegenzutreten.
Nette Gespräche, Neuigkeiten, Tratsch und Klatsch und witzige Anekdoten wurden ausgetauscht. Es waren sehr schöne und gesellige Stunden die wir verbringen konnten.
Auch wenn es in der Gemeinde inzwischen sicherlich zur Gewohnheit geworden ist – auf diese Weise das Erntedankfest zu feiern – ist etwas ganz besonderes!
Hoffen wir, dass wir auch im nächsten Jahr in Frieden DANKE zu einer reichhaltigen Ernte sagen dürfen!
Gruß, Karin