Luftige Herausforderung

In Maameltein, einem kleinen Teilort des Küstenstädtchens Jounieh, welches 16 km nördlich von Beirut liegt, wurde im Jahr 1965 die Anlage einer Gondel-Seilbahn in Betrieb genommen. Teleferique Diese fährt innerhalb neun Minuten in 4-Personen Gondeln die Passagiere die 1,5 km lange Strecke hinauf nach Harissa. Aus der Bucht Jouniehs, geht es über den Highway mitten durch die Hochhäuser, dann durch den restlich verbliebenen Pinienwald bis hinauf zur ersten Station, wo dann für die restlichen wenigen Meter in eine Standseilbahn gewechselt wird.

Für mich war es insofern eine Herausforderung, da ich vor vielen Jahren hysterisch weinend aus der Gondel stolperte, da meine beiden männlichen Ungeheuer im Zuge prä- und postpubertalem Übermut während der Fahrt in luftiger Höhe die Gondel zum Schaukeln brachten, nachdem ich zuvor schon erwähnte, dass ich in totaler Angst einsteige. Seitdem habe ich dann lieber die asphaltierte Strasse nach oben gewählt oder fuhr gar nicht hinauf. Da ich jedoch unbedingt dieses Trauma noch bewältigen wollte und meine Freundin Anne den Ort auch besuchen wollte, hat sie mir bei der Bewältigung der schweren Aufgabe sehr geholfen. Hiermit nochmals meinen Dank liebe Anne, die Dusche am Abend war trotzdem mehr als nötig bei meiner Angst.

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Harissa ist eine beliebte und bekannte Pilgerstätte die auf 650 Metern über Meeresspiegel liegt. Frische klare Luft, manchmal etwas diesig und neblig, mit gigantischem Ausblick hinunter aufs Meer und natürlich die 15 Tonnen schwere weiß gefärbte Bronzestatue der Jungfrau Maria. Sie steht auf einem 8,5 Meter hohen gemauerten konischen Sockel mit einem Durchmesser von fünf Metern, eine spiralförmige Treppe führt hinauf zur Aussichtsplattform mit der Statue, welche mit ausgestreckten Armen hinunter gen Beirut schaut. Im Sockel befindet sich noch eine kleine Kapelle.

Außerdem befinden sich auf der Anlage noch weitere Kapellen und Kirchen, ein Andenkenladen mit sakralen Artikeln und natürlich auch die große Kathedrale aus Glas und Beton, leider hatte diese geschlossen. Ich war jedoch schon einmal drin, doch allein die Form des Gebäudes, die an eine Zeder erinnern soll, finde ich mächtig imposant.

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Quelle Wikipedia, © Mikhael Bitar

Quelle Wikipedia, © Mikhael Bitar

1997 besichtigten Papst Johannes Paul II. und 2012 Papst Benedikt XVI. den Ort. Auch sonst sind ganzjährig die unterschiedlichsten Menschen vor Ort. Viele Möglichkeiten zum Verweilen sind gegeben, die schönen Zedern, die reihum gepflanzt sind, spenden Schatten und gute Luft.

Nachdem wir noch Kerzen angezündet hatten machten wir uns auf den Rückweg. Anne lief den schön gestalteten Weg bis zum Einstieg in die Gondel zu Fuss.

Dann ging es weiter bergab. Diesmal tauschten wir die Plätze, so dass ich den Blick bergauf hatte.

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Zwischen all den dicht stehenden Häusern kann hier und da doch tatsächlich noch das eine oder andere Kleinod aus früheren Zeiten erspäht werden.

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Dann wiederum kann in einem Appartement direkt auf den Tisch geschaut werden und in einem anderen zweifelhaften Etablissement direkt auf die Liegestatt. Welche Einblicke!

Schauen wir mal, welche Herausforderungen, Ein- und Ausblicke als nächstes auf mich warten, bis dahin

Gruß Karin

Seelenfenster

Diese Woche habe ich eine sehr interessante Bilderausstellung des libanesischen Künstlers Serge Oryan mit dem Titel „EYES ARE THE WINDOW TO THE SOUL“2 besucht. Der erste Teil dieser Art entstand bereits 2015, doch in der neuen Serie sind noch einige Werke ausgestellt, ähnlich in der Art und doch so verschieden, dass sie direkt herausstechen.

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Serge wurde in Baskinta geboren. Meine aufmerksamen Leser erinnern sich eventuell, dass ich im Oktober vergangenen Jahres vom dortigen Apfelfest berichtet hatte. Er studierte Graphic Design und Werbung, streckte seine Fühler jedoch auch ins Filmgeschäft aus.  Nach erfolgreichem Berufsleben im Libanon und Dubai ließ er sich schließlich wieder in seiner Heimat nieder. Immer schon war er von Gesichtern fasziniert, speziell den Augen. Selbst sagt er aus, er beobachtet Menschen, schaut ihnen in die Augen. Diese sind die einzigen Fenster zur innersten Seele und er sieht die Wahrheit in ihnen. Menschen können kontrollieren, was über ihre Lippen kommt und ihre Körpersprache beeinflussen. Aber sie haben keinen Einfluss, was ihre Augen ausdrücken, dadurch werden sie enttarnt.

Ich wurde sehr freundlich von einem Mitarbeiter begrüsst. Er begleitete mich durch die Ausstellung, gab Erklärungen zu den großen Ölgemӓlden ab. Der Künstler sass anfangs, augenscheinlich völlig desinteressiert in einer Ecke – im Nachhinein denke ich eher, er spielte wohl stiller Beobachter!

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Ich war so gefangen von den vielen Augenpaaren, selbst im Rücken konnte ich die verschiedensten Blicke spüren. Mal traurig, aggressiv, verletzt, stolz, hinterhältig, erstaunt – die Fotos können den Zauber natürlich überhaupt nicht vermitteln!

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Am Ende meiner Besichtigung kam dann Serge noch hinzu und dieses nette Foto entstand.

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Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass ich die Fotos in meinem Blog veröffentlichen darf und ich doch bitte auch auf den Instagram Account hinweisen solle, was ich hiermit gerne tue: @sergeoryan_theartist

Hoffe die dritte Serie ist mental schon am Enstehen, also bitte aufpassen, wer euch so beobachtet…

Gruß Karin

 

 

 

Tanztheater „Falling Minds“

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Letzte Woche war ich mit zwei Freundinnen in Beirut in der Hamra Strasse im Masra Al Madina Theater  Theater , übersetzt heißt es in etwa „Stadt-Theater“. Eingebettet zwischen Fastfood-Läden liegt etwas versteckt der schmale Eingangsbereich. Die Gründerin, die sich bereits in jungen Jahren mit Kunst und Künstlern umgab und 1994 dieses Theater zuerst in einem anderen Bezirks Beiruts gründete, zog 2005 an diesen Platz. Als historisches Kino vorgefunden, dem legendären Saroulla Cinema, daher zeugen die stummen wuchtigen und schweren gusseisernen Filmvorführmaschinen im Eingang des Gebäudes, dienen die beiden Säle heute nach umfangreichen Renovierungen als Theater, für Filmvorführungen, Konzerte, Workshops, Lesungen, Seminare und dergleichen.

Im Untergeschoss wird dann die Größe des Theaters ersichtlich. Zwei Säle für jeweils 450 und 110 Zuschauer, einer Bar, und einer Galerie. Überall hängen Fotos und Plakate vergangener Schauspielgrößen, viele arabische Persönlichkeiten, jedoch leider alles nur auf Arabisch beschriftet. Auch ist etwas unklar, ob die Aufnahmen aus dem Nachlass des alten Kinos stammen oder aus den vorangegangen Räumlichkeiten mitgebracht wurden. Egal – sie sind auf jeden Fall sehr interessant und sollten weiterhin ausgestellt werden.

Dann erschien der Klingelton und wir betraten den großen Saal. Während wir nach unseren Plätzen Ausschau hielten, fielen mir schon die komischen Gestalten auf der Bühne auf, die sich sprichwörtlich gegenseitig über den Tisch zogen um dann wiederum nur mit großen Augen ins Publikum zu starren.

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Dies gehörte also schon zur Choreographie! Bis wir uns dann gegenseitig darüber austauschten, ob der lästigen Hintergrundgeräusche, dem störenden Luftzug der mir in den Nacken blies, dem gleißenden Licht eines Deckenfluters und über das Publikum, das typisch libanesisch von einem Platz zum anderen hechtete – obwohl es ja Platzkarten gab! – und wir noch hektisch versuchten ein Foto zu machen, war es stockdunkel und totenstill und dann ging es los.

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Laut der Online-Ankündigung sollte die Show von 21 Uhr bis Mitternacht dauern. Nach kurzer Zeit vernahm ich von meiner rechten Seite: „Schieben die jetzt die ganze Zeit die Bänke hin und her? – War es das jetzt? – Hoffe da kommt noch mehr! – Ich geh sonst!“ War ich die ganze Zeit nur am innerlichen Kichern und am Versuch, ein halbwegs anständiges Foto hinzubekommen.

Szenenwechsel ohne Bänke – und ich sah gebannt zu und war so was von erstaunt ob der sportlichen Leistung und dacht mir nur: „Mein Pilates ist noch ausbaufähig!“

Alle weiteren Fotos waren total verschwommen, das Tempo der zuckenden, springenden Leiber und deren Bewegungen waren einfach zu schnell und ich sah auch nur gebannt zu und war mir sicher, ich hätte noch genug Zeit um weitere Fotos zu machen.

Plötzlich Szenenabschluss, Licht an, mein Blick auf die Uhr zeigt halb elf, Applaus, die Akteure verlassen die Bühne, das Publikum strömt nach draußen und wir erheben uns völlig ratlos und zögernd, ob dies nur die Pause ist oder ob es gar zu Ende ist? Meine Nachfrage draußen bei einem Angestellten bestätigt es: Ende!

Wie kann in der Vorschau bis Mitternacht stehen? Wie kann es so einen spärlichen Applaus für so eine super Leistung geben? Warum wurden keine Zugaben gefordert? Beirut Dance Company – warum werden die Tänzer, die Choreographin und wichtigen Menschen hinter den Kulissen nicht vorgestellt?

Wir gingen wie betäubt aus dem Untergeschoss wieder nach oben, Anne fiel noch diese alte wunderschön restaurierte Sitzbank auf.

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Allgemein wurde bei den Renovierungsarbeiten darauf geachtet, Altes neu erstrahlen zu lassen, Altes hervorzuheben um ein Mahnmal zu geben, nicht alles vergeht, nicht alles wurde zerstört, vieles bleibt bestehen und überdauert!

Auf diesen Schock hin gingen wir noch lecker Cocktail trinken, da ich Fahrdienst hatte leider alkoholfrei und um Viertel vor eins war ich dann auch zu Hause!

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Bis zum nächsten Abend,

Gruß Karin

 

Frühlingsmarkt

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Seit vielen Jahren findet in der Evangelischen Gemeinde zu Beirut ein Frühlingsmarkt statt. Hauptattraktion ist der Flohmarkt für den sich Jedermann einen Tisch anmieten und seine Schätze zum Verkauf anbieten kann. Darum herum reihen sich die verschiedensten Stände für das kulinarische Wohl. Angefangen vom obligatorischen Kartoffelsalat mit Würstchen, Frikadellen, Bier, Kuchen, Kaffee, Tee und natürlich die deutsche Bäckerei aus Tyros vom Mosan Center. Auch Kunsthandwerk, Schmuck, Spielzeug und kosmetische Artikel gab es dieses Jahr.

Da ich bereits im letzten Jahr beim Auspacken der Umzugskartons selektierte, welche unnütz gewordenen Gegenstände unseren Haushalt demnächst verlassen könnten und im Laufe der Monate immer mehr Artikel dazu kamen, war es sonnenklar, dass auch ich einen Tisch anmieten würde. Wen wundert es, dass auch meine Freundin Anne direkt neben mir ihre Kostbarkeiten feilbot? Treten wir beiden doch eigentlich nur noch im Zweierpack auf! Ihre deutschsprachigen Kinderbücher und Filme waren der Renner.

Der Besucherstrom war nicht besonders hoch. Die Ankündigung im monatlich erscheinenden Rundschreiben war spärlich, da halfen auch die Werbung im Radio und die verteilten Handzettel nicht viel. Doch möchte ich überhaupt nicht klagen, dafür dass ich fast nur „Kruscht“ hatte – wertloses Zeugs, Ramsch, Krempel, Plunder, Kladderadatsch oder Glump – ihr dürft euch die für euch gängige Bezeichnung aussuchen, hatte ich super verkauft! Die hochpreisigeren Dinge konnte ich alle wieder mit nach Hause nehmen, das macht nichts, die werden im nächsten Jahr abermals auf dem Tisch positioniert werden. Denn in Gedanken bin ich schon wieder durch die Schränke gewandert und da es dann bis zur Abreise nicht mehr lange hin sein wird und wir in der Heimat bis auf wenige Teile ausgestattet sind, kann ich wahrscheinlich wieder viele Mitmenschen glücklich machen, indem sie ein Schnäppchen bei mir machen.

Wir sehen uns wieder, bis dahin,

Karin

 

 

Buchlesung „Am Ende bleiben die Zedern“

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Diese Ankündigung interessierte mich sehr, zumal die Gemeinde in ihrem monatlichen Rundschreiben noch folgende Informationen zufügte:

Der Bühnen-Poet und Autor Pierre Jarawan, geboren 1985 als Sohn einer deutschen Mutter und eines libanesischen Vaters, liest aus seinem Debutroman »Am Ende bleiben die Zedern«, der 2016 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet wurde. Der Ich-Erzähler ist Samir. Seine Eltern flohen vor dem libanesischen Bürgerkrieg nach Deutschland bevor Samir geboren wurde. Als er acht Jahre als ist, verschwindet sein Vater spurlos. Zwanzig Jahre später macht sich Samir auf in das Land der Zedern, um das Rätsel des Verschwindens seines Vaters zu lösen. Pierre Jarawan erzählt eine wendungsreiche, anrührende Geschichte über die Suche nach den eigenen Wurzeln, die eng mit den der Geschichte des Nahen Osten verwoben ist. Während seiner Recherche zu diesem Roman wohnte Pierre Jarawan einige Zeit in einem der Gästezimmer der Gemeinde. 

Wenige waren gekommen am letzten Samstag, zu wenige – wie ich finde! Viele Ältere wollen am Abend eben nicht mehr aus dem Haus, die Jüngeren haben Familie, haben andere Pläne, vielen ist der Weg nach Beirut auch einfach zu weit, zu nervenaufreibend, zu stressig. Jedoch bin ich davon überzeugt,  dass denjenigen, die anwesend waren, die einstündige Vorlesung sehr gefallen hat, neugierig gemacht hat auf mehr und den Ausgang der Geschichte. Einige kannten das Buch bereits oder lesen es gerade, hatten es zum Signieren mit dabei. Konnten bereits Gelesenes gedanklich auffrischen oder wurden zum erneuten Lesen motiviert. Oder so wie ich – hatten keine Ahnung von nichts!

Die vorgetragenen Textpassagen waren sehr geschickt gewählt, immer nur soviel, um die Neugierde zu wecken, die Spannung zu halten und um die Fantasie schweifen zu lassen. Zeitsprünge bei den Texten, zwischendrin eigene mündliche Erklärungen des Autors über Beweggründe und Vorgehensweisen und auch kurze Befragungen der Gäste, ob sich jemand an dieses oder jenes aus dem Krieg oder der schweren Zeit danach erinnern konnte lockerte alles etwas auf, machte es lebendiger, brachte uns den „fremden Mann der da saß“ etwas näher, vertrauter.

Im Anschluss hatte man noch Gelegenheit für eine lockere Gesprächsrunde.

Leider war Herr Jarawan immer im Austausch mit anderen Menschen, gerne hätte ich auch das eine oder andere kurze Wort mit ihm gewechselt. Aber wer weiß, vielleicht handelt sein zweiter Roman, der momentan am Entstehen ist, ebenfalls aus dieser Gegend und wir sehen uns ein zweites Mal wieder. Weitere Infos bekommt man auf seiner website, auch bei YouTube kann man unter dem Titel „Auch meine Eltern“ eine sehr interessante Seite seiner Lebensgeschichte erfahren.

Eigentlich wäre ich nach der Buchvorstellung am liebsten direkt nach Hause zum Lesen. Pierre Jarawan hatte jedoch keine Bücher zum Verkauf im Reisegepäck mit dabei. Sehr schade, sehr bedauerlich. Da wurde seitens der Organisatoren einfach nicht dran gedacht, dass es für „Normalos“ einfach schwierig und kostenintensiv ist, sich Pakete aus Deutschland schicken zu lassen. Doch zum Glück bekam ich das Buch von meiner Freundin ausgeliehen und somit verbrachte ich den letzten Sonntag bis auf die Mahlzeiten komplett lesend im Bett zu, heute Morgen nach dem Frühstück noch die letzten 40 Seiten, dann war es geschafft. Nun liest mein Göttergatte und ich kann schreiben. Ich wurde von den ersten Buchseiten an gefesselt, war neugierig auf mehr, aufs Ende. Ich erkannte mich als Deutsche in Deutschland und als Deutsche im Libanon. Kannte die Situation Ausländer in Deutschland und im Libanon lebend. Ich habe so oft geschmunzelt, aber auch Tränen vergossen, ich war so in dem Buch gefangen, vergaß die ganze Welt um mich herum, das ganze Denken handelte von der Geschichte. Ich habe das Positive an diesem Land wieder neu entdecken können. Die Gastfreundschaft, die ursprüngliche Herzenswärme der Menschen, die jedoch aufgrund der täglichen Probleme, der Existenzängste, der Hektik, dem Stress und dem Geltungsdrang leider vielen Menschen verloren ging. Habe mich an die wunderbare Natur erinnert und mir fest vorgenommen nochmals in die Zedern zu fahren und dann schweiften die Gedanken zu unserem kleinen libanesischen Zedernbӓumchen im Garten in der schwäbischen Heimat ab. Möge es weiter gedeihen und uns später an die vielen Jahre hier im Libanon erinnern.

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Gruß Karin

P.S. Würde mich über Kommentare freuen von denjenigen, die das Buch gelesen haben. Aber natürlich auch sonst, darf hier jeder seine Meinung zu meinen Beiträgen abgeben.