Nach Apfel- und Weinfest komme ich in den letzten Wochen unseres Aufenthaltes nun doch noch in den Genuss eines Kirschenfestivals! Ich liebe Kirschen! Somit wollte ich dort unbedingt hin und in Ermangelung einer Begleitung, machte ich mich eben alleine auf den Weg. Die Info dazu erhielt ich über Lebtivity. Eine Website, auf der man nach bevorstehenden aber auch zurückliegenden Veranstaltungen Ausschau halten kann. Jeder kann nach einer Anmeldung kostenlos Events posten. Eine prima Sache, wenn man sonst nicht viel mitbekommt oder nicht bei den großen sozialen Medien mitmischt um somit an Informationen zu gelangen.
Den Weg über die Berge ins 20 km entfernte Bergdorf Hammana kannte ich wohl, unser Weg führte uns bei unseren letzten Unternehmung oft genug hindurch. Der Name Hammana kommt vom phönizischen Sonnengott Hamman. Das Dorf ist für sein Klima und dem gesegneten Reichtum an Kirschbäumen bekannt. Jedes Jahr wird die Ernte mit einem Karaz (arabischer Name für Kirschen) Festival in Zusammenarbeit mit biologischen Lebensmittel Genossenschaften gefeiert, zu schade, dass ich die vielen Jahre zuvor nie etwas davon gehört hatte!
Bereits am Ortseingang regelte ein Polizeiposten die Parkplatzfrage und der Gesetzeshüter wies mir einen Platz zu. Somit war mein Auto zwar hoffentlich sicher vor Beschädigungen geparkt, jedoch hatte ich bestimmt einen längeren Marsch vor mir. Ich trottete einfach den anderen Fußgängern hinterher und bald schon hörte ich auch Musik. Ich wusste nun gar nicht, was mich erwarten würde, auf diese Massen an Verkaufsständen hätte ich jedoch im Traum nicht daran gedacht! In den vielen Jahren hier hatte ich schon einiges erlebt, aber so etwas noch nie! Durch zig Strassen und Gassen reihte sich ein Anbieter an den anderen.
Ohrenbetäubender Lärm aus Lautsprecherboxen, die DJs live zum Besten gaben, dann wieder Motorenlärm, der mich neugierig machte. Dutzende Edelkarossen wie Porsche, Ferrari und Jaguar zeigten sich. Auffällig waren vor allem die vielen Porsches, die in Deutschland auf dem Nummernschild schon das H erteilt bekommen hätten. Die Hauptverkehrsachse wurde geöffnet, die Fahrzeuge fuhren einen Corso, drehten unter lautem Hupen, Schreien und typisch arabischen Gesten und Beschimpfungen und kehrten wieder zurück. Dann war für einige Zeit die Strasse gesperrt, bis der Volkswagen club seine Runde drehen durfte. Das fand ich noch viel schöner, vor allem hatten einige alte Schätzchen merklich Schwierigkeiten, die Steigung des Berges zu bewältigen.
Nach einer Pause kamen die Motorräder an die Reihe. An die hundert Maschinen reihten sich parkend die Strasse hinab, viele originelle Outfits wurden fotografiert. Den Lärm mag sich keiner vorstellen, als die Wichtigtuer bei angezogener Bremse ordentlich Gas gaben, die Hinterreifen sich seitwärts bewegten und eine riesige Qualmwolke zur Folge hatten. Feinstaub ließ grüßen!
Doch zurück zu den Kirschen! Darum war ich augenscheinlich ja hier! Leider konnte ich in der hiesigen Presse noch keinen Artikel finden, obwohl ich an mehreren Stellen Fernsehteams und Reporter sah. Aus einem 10 Jahre alten Zeitungsartikel des DailyStar habe ich folgende Info entnommen:
Hammana ist ein Dorf mit 7.000 Einwohnern und beherbergt 10 Kirschfarmen. Alle sind in Familienbesitz, einige gehen Hunderte von Jahren zurück. Die Größe der Farmen reicht von kleinen Betrieben (50 Kirschbäume) bis zu größeren Betrieben (700 oder mehr). Einheimische erinnern sich, dass es vor dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 mehr Bauernhöfe als Bauern gab – jeder hatte einen Garten mit einem oder zwei Kirschbäumen. Aber seitdem hat Hammana wie viele andere ländliche Gemeinden viele seiner Einwohner auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten im Ausland verloren. „Viele sind nach Nordamerika und Australien gereist. Aber im Sommer kommen sie zurück“, sagt der lokale Entwicklungsbeauftragte der Gemeinde.
Auch ich kaufte natürlich mein Tütchen Kirschen, konnte mich gar nicht entscheiden an welchem Stand und hatte mich einfach durchprobiert.
Gegen eine Gebühr konnte man eine bestimmte Menge Kirschen selbst pflücken, in der Vergangenheit wurde daraus wohl auch ein Wettpflücken veranstaltet, davon las ich dieses Jahr jedoch nichts am Stand.
Kulinarisch war jede Menge geboten, ich denke kein Wunsch blieb offen, sieht man von Leberkäse-Laugenwecken und Currywurst einmal ab, um die Nachfrage meines Mannes im Vorfeld zu beantworten. Ich entschied mich für Hausmannskost, die hier im öffentlichen Garten eines Verwaltungsgebäudes verkauft wurde und verspeiste meinen leckeren Safranreis mit Huhn und allerlei Nüssen dann gemütlich im Grünen und in relativer Ruhe.
Bis ich dann von Trommeln und Blasmusik aus meiner schläfrigen Lethargie erwachte und den angenehmen Klängen, die auch von Guggenmusik hätten stammen können, auf die Spur ging. Und siehe da, Trommeln und Blechbläser, Männlein und Weiblein zogen durch die Gassen. Die Damen der Caritas wagten ein Tänzchen und die Senoritas posierten!
Auch sonst war allerhand geboten. In letzter Zeit viel mir schon bei einigen anderen Veranstaltungen auf, dass es Trend geworden ist, alte VW Busse zum Verkaufsstand umzufunktionieren. Immer wieder eine Augenweide!
Ansonsten wurde frischer Orangensaft originell angeboten, das Honigschleudern demonstriert und besonders toll finde ich das Lamm vom Grill!
Schön war das Festival und ich war froh, schon am frühen Vormittag dort angekommen zu sein, denn einige Stunden später waren die Strassen und Gassen voller Menschen, beim Rückweg reihte sich Auto an Auto, nirgends gab es mehr Platz zum Parken. Wenn die Veranstaltung weiterhin so erfolgreich ist, wird Hammana ihren früheren Ruhm als Kirschhauptstadt des Libanon wieder herstellen. Oder vielleicht hat sie das bereits?
In diesem Sinne, seid gegrüsst und ich hoffe, mit mir ist weiterhin gut Kirschen essen,
Gruß Karin