So weit die Füße tragen

Glücklicherweise ging es uns nicht wie dem Kriegsgefangenen der nach dem 2. Weltkrieg aus einem sibirischen Gefangenenlager nach Hause flieht, so lautet zumindest der bekannte Romantitel aus dem Jahr 1955 der auch später dann als Filmvorlage diente. Nein, wir wollten ganz lapidar am Sonntagmorgen um 10.30 Uhr bei schwäbischen knackigen 2 Grad plus abermals das herrliche Wetter ausnützen und uns etwas die Beine vertreten. Dass daraus eine stundenlange Wanderung werden würde auf der wir stattliche 9 km zurücklegen und leider heute noch mein Knie darüber etwas mürrisch reagiert – das hätten wir im Leben nicht gedacht. Doch leider muss ich auch gestehen, dass mein menschliches Bedürfnis meiner Blase nach 2 Tassen Frühstückskaffee, die coronabedingte Schließung von Cafés und Restaurants und meine Auswahl des stark frequentierten Wanderweges daran Schuld waren, dass unser Fußmarsch so gar keine Ende nehmen wollte und konnte und ich dann letztendlich auf dem Friedhof (wieder einmal!) Zuflucht und Erlösung fand – doch der Reihe nach:

Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, unbedingt einmal die Klepperle-Trasse um Schwäbisch Gmünd herum zu bewandern. Die alte Bahnverbindung von Schwäbisch Gmünd, vorbei an den Kaiserbergen Rechberg und Hohenstaufen bis nach Göppingen war von 1911-1984 eine der berühmtesten Panorama-Bahnstrecken im Ländle, war sie doch sensationell steil und eng. Im Volksmund nannte man das Zügle Klepperle, jedoch nur in Gmünd, denn in Göppingen wurde die Nebenbahn Josefle und hinter vorgehaltener Hand auch Rosenkranzexpress genannt. Für die protestantischen württembergischen Nachbarn war die katholische Prägung der ehemaligen Reichsstadt Gmünd wohl namensgebend. Gmünd war mit ihrem Klepperle sehr verbunden, somit kein Wunder, dass die weltberühmte Firma Märklin nicht nur in Göppingen zu Hause war, auch in Schwäbisch Gmünd bot das Märklin-Werk in der Wilhelmstraße bis zu 200 Menschen Arbeit. Nach der Stilllegung der Hohenstaufenbahn entstand auf der Trasse zwischen dem Rems- und dem Filstal ein beliebter Rad- und Wanderweg. In Verbindung mit weiteren Wegen ergibt sich somit ein Netz an Freizeitmöglichkeiten die bequem zu Fuß, mit dem Rad, Kinderwagen u.ä. zumindest z. T. zu bewältigen sind. An das besagte Klepperle kann ich mich aus meiner Jugendzeit überhaupt nicht mehr erinnern, momentan stehen Überlegungen an, auch diese Bahn wieder zu reaktivieren – mal schauen was die Zeit so bringt.

Das Auto wurde in Gmünd Ende Eutighoferstraße / Anfang Goethestraße geparkt und an der alten Brückenverbindung begann der Marsch bergauf. Ungewöhnliche traumhafte Ausblicke boten sich, auch waren wir erstaunt, wie viele Menschen bereits am Sonntagmorgen radfahrend oder joggend unterwegs waren. An der ehemaligen Haltestelle Stadtmitte befindet sich eine Übersichtskarte des Rad- und Wandernetzes. Hier ist wirklich einiges geboten. Auch ist erwähnenswert, dass stets Wege hinab Richtung Stadt führen.

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links im Hintergrund das Müster, vorne das Parler-Gymnasium,

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Weiter ging es bis zur Kreuzung Rechbergstraße, die von Gmünd nach Straßdorf führt.

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Kurz darauf folgte dann auch schon der Südbahnhof. In den 1990er Jahren noch als Restaurant und Biergarten in Betrieb, ist diese Lokalität leider schon einige Jahre geschlossen und wird privat genutzt.

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Der Südbahnhof


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Der Zauberer und die Hex

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Weiter ging der inzwischen für mich sehr beschwerliche Weg, immer mit einem Blick zur Seite ob sich eine Möglichkeit ergeben würde, die Büsche der Umgebung näher unter die Lupe zu nehmen, doch vergebens, zu viele Artgenossen waren unterwegs.

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links der Königsturm

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Blick von links vom Salvator bis rechts nach Bettringen

Machte es Sinn umzukehren und auf dem schnellsten Wege zur Tankstelle zu fahren? Joachim befragte das Internet und studierte ausgiebig die reich beschilderten Wegweiser und meinte dann, die Trasse zu verlassen und bergab bis zum Dreifaltigkeitsfriedhof zu gehen.

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Wegweiserstudium

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gleich da unten ist die Aussegnungshalle

Dort war ich mir wiederrum sicher, dass die Toiletten geöffnet hatten, denn Jogis Eltern und weitere Verwandte fanden dort alle ihre letzte Ruhe, dort kenn ich mich aus. Gesagt, getan. Bergab ging es mit kleinen Trippelschritten, da sahen wir noch diese kleine niedliche Dreifaltigkeitskapelle – Notdurft hin oder her – diese musste noch unbedingt abgelichtet werden.

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Dreifaltigkeitskapelle von Debler

Dann an der Hauptstraße entlang, schon tausend Mal diese Brücke überquert, immer mit dem Auto, nie zu Fuß und somit diesen schönen Blick auf den Waldstetter Bach abgelichtet,

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dazu noch die Kreiselanlage direkt am Dreifaltigkeitsfriedhof, wo das Einhorn Wache hält – das Wappentier von Schwäbisch Gmünd.

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Flugs über die Straße und schon war der rettende Friedhof mit seinem beheizten Toilettenhäuschen zu Diensten – ich muss nicht mehr erwähnen! Danach noch ein Besuch bei Schwiegereltern, Tante und Onkel und zurück ging der Weg der Straße entlang. Das Knie machte sich bemerkbar, auch die Lust aufs Wandern war nicht mehr allzu groß. So ein Pech aber auch, dass es nirgends ein gemütliches Plätzchen für einen Kaffee oder dergleichen gab. Aus den Häusern waberten Küchendüfte. Wir erschnüffelten Braten mit Spätzle und Soß‘, dann wieder Bolognesesoße, Würstchen und Pommes – und wir setzen stur einen Fuß vor den andern. Somit ging die Route entlang der Weißensteiner Straße bis auf die Waldstetter Brücke wo dieses schöne Bild vom Josefsbach, der Seilbrücke und der Turmuhr vom Parler-Gymansium zu Stande kam.

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Natürlich musste ich auch über diese Brücke gehn‘

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und anschließend wanderten wir dann am Ufergraben entlang, bewunderten die dortigen Enten und Kunstobjekte und

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Der Drache von Diane Herzogin von Württemberg

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nutzen jedes Ruhebänkchen bis wir dann auf die Idee kamen, im Frühstückslokal Stadtvilla einen Kaffee und etwas Süßes zu kaufen und auf den kommenden Parkbänken eine längere Rast einzulegen. Hmmh! Was war das warme Getränk himmlich! Nach wie vor war es sehr kalt, auch der Berliner schmeckte göttlich, die Sonne im Gesicht, warm eingepackt und die vielen Spaziergänger beoabachtend sammelte ich Kraft für die letzten Kilometer.

Am Kroatensteg verweilten wir vor der Treppe, die an die ehemalige Synagoge von Schwäbisch Gmünd erinnert,

auf dem Steg selbst noch einmal, weil’s gar so schön ist, Fotos nach links und rechts.

Über die Katharinenstraße und Schwerzerallee gelangten wir dann letztendlich wieder zu meinen Chiliflitzer. Dieser brachte uns nach Hause wo ich mich umgehend mit Kühlakku um 14.45 Uhr aufs Sofa legte und erst einmal den Spielfilm Heidi ansah, mich dabei erholte und darüber nachsann, wann wir den nächsten Abschnitt der Klepperle-Trasse erkunden können. Wenn das Wetter traumhaft bleibt und meine Füße mich so weit tragen, vielleicht bald.

Bis dahin, eure Karin

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