Herrgottsbscheißerla

Heute konfrontiere ich euch wieder einmal mit meiner schwäbischen Heimat und einer unserer Lieblingsspeisen – der Maultasche. Im urschwäbischen Dialekt auch Herrgottsbscheißerla genannt. In dem Wort steckt der Herrgott, diesen kennt wohl jeder, die zweite Silbe bscheißerla kommt von – ja, bescheißen (betrügen) und da es nicht gar so hart klingt verniedlicht der Schwabe ja vieles, somit das la.

Tatsächlich ist nicht klar überliefert, woher die Maultasche ihre Bezeichnung oder ihren Ursprung hat. Nur die Begriffserklärung ist knapp und kurz erzählt. Es handelt sich um eine gefüllte Nudelteigtasche, vornehmlich mit Gemüse, Zwiebel, Brot, Ei und Brät. Dazu kann Spinat, gekochter Schinken und durchtriebenes Fleisch (Fleisch welches durch einen Fleischwolf „durchgetrieben“ wurde) gemischt werden. Ob nun mit oder ohne Spinat, mit oder ohne Hackfleisch, mit oder ohne Speck, gerollt oder gewickelt, rund oder eckig – da scheiden sich viele Geister. Ein jeder Haushalt hat wohl seine Vorlieben, genau so wie es die Familienmitglieder kennen und mögen.

Und woher kommt nun der Name Maultasche? Einige Mythen ranken sich um dieses Thema. Im 16. Jahrhundert fand das Wort Maultasche seine Bedeutung in einer Ohrfeige. Als Maul bezeichnet der Urschwabe den Mund. Tasche steht für tatschen, tätschen – also schlagen. Und da die fertige zubereitete Maultasche in der Suppenbrühe so aufschwillt wie eine Wange nach einer Ohrfeige, kam es zu der Bezeichnung.

Meine Lieblingslegende ist jedoch folgende aus dem späten 20. Jahrhundert: Die Zisterziensermönche aus dem Kloster Maulbronn in Baden-Württemberg waren wohl findige Meister in der Verwendung von Lebensmitteln. Ausgerechnet während der Fastenzeit kamen sie zu einem Stück Fleisch, welches bis nach Ostern verdorben gewesen wäre, hätten sie nicht eine schlaue Idee zur Verwendung des kostbaren Gutes gehabt. Sie wickelten das Fleisch zusammen mit dem Gemüse in Teig ein, um es so vor dem Hergott zu verstecken – Herrgottsbscheißerla.

Auch aus anderen Kulturen kennt man die gefüllte Teigtasche. Die Italiener meinen sich in die erst Reihe mit ihren Ravioli oder Tortellini einreihen zu können, dann kommt der Pole mit den Piroggen und der Russe mit Pelmeni, dazu die Chinesen mit den bekannten Wan Tan. So könnten wir wohl auf jedem Land dieser Erde eine gefüllte Teigtasche finden und ein jeder wollte der Erste der Erfindung sein. Tatsächlich gibt es hierzu jedoch auch nur Vermutungen.

Wie bekannt, lebte ich ja lange Zeit außerhalb Deutschlands und auch dort wollten der Schwabe und seine Gattin nicht auf heimatliche Kulinarik verzichten. Der im Koffer mitgebrachte Vorrat, der sich hier in fast jedem Supermarkt fertig gekocht und vakuumiert kaufen lässt, ist trotz tiefgefrieren irgendwann aufgebraucht und dann fängt Frau mit allerhand Rezepten aus dem geduldigen Internet das Basteln an. Das für uns notwendige feine Brät war nie verfügbar, feine rohe Bratwürste die man aus der Pelle hätte drücken können ebenso – kurz und gut, die viele Mühe war es im Vergleich zum Endprodukt nie wert. Somit hatte ich dieses Projekt jahrelang wieder auf Eis gelegt. Bis meine Freundin Birgit davon erzählte, dass sie mal wieder Maultaschen zubereiten müsse und da kam mir die Idee, dass wir daraus einen kleinen Workshop machen könnten und sie mir die Zubereitung ihrer schnellen, jedoch durchaus sehr schmackhaften Variante lehrt.

Nun muss im Vorfeld allerdings noch erklärt werden, dass man die Teigtäschla als Suppeneinlage in einer Brühe essen kann, dazu vielleicht geschmälzte Zwiebelringe und gegebenfalls Kartoffelsalat, oder in Scheiben geschnitten und angeröstet mit grünem Salat und oder auch Kartoffelsalat. Hierzu sollte ich noch erwähnen, dass mein Schwabe auch seinen Kartoffelsalat über alles liebt und es wohl seiner Meinung nach selten ein Gericht gibt, wo dieser nicht dazu passen könnte. Auch werden die Teilchen heutzutage gegrillt oder einfach nur als schneller Sattmacher kalt, direkt aus der Pachung verspeist – wenn ich aus dem Nähkästchen meiner Männer plaudern darf. Die Maultaschenherstellungsindustrie hat auf jeglichen Trend reagiert. Es gibt sie traditionell schwäbisch, vegetarisch, vegan, halal, mit Schweinefleisch, mit Rind, mit Kalb, speziell zum Grillen… selbst außerhalb unserer schwäbischen Landesgrenze gibt es sie zu kaufen. Vorbei die Zeiten, wo nur der Metzger des Vertrauens an einem bestimmten Tag die frisch zubereiteten Lieblinge in der Auslage zum Verkauf anbot.

Doch nun endlich zu unserem Workshop. Am Tag zuvor setzte Birgit bereits eine reichhaltige Rinderbrühe mit Siedfleisch und Gemüse an, ließ diese lange vor sich hin simmern bis das Fleisch ganz zart war. Dann wird abgeseiht, bis die klare Brühe übrig bleibt. Darin werden die Maultaschen gegart und auch serviert. Das Fleisch kann auseinandergerupft als Suppeneinlage oder auch für andere Zwecke verwendet werden.

1

Die Zutatenliste sieht folgendes vor:

1 Packung fertigen Maultaschen-Nudelteig (die fleißige Hausfrau macht diesen selbst, bei uns soll es ja schnell gehen). Die Teigrolle bis zur Verwendung im Kühlschrank belassen.

600g feines Bratwurstbrät (muss meist beim Metzger vorbestellt werden)

300g feines gemischtes Hackfleisch

300g gekochter Spinat, wir nehmen aufgetauten Rahmspinat. Beim Blattspinat stören die Stile, sonst müsste alles durch den Fleischwolf gedreht werden und vorbei ist es mit der schnellen Variante.

2 harte Brötchen, in Milch einweichen, gut ausdrücken und fein mit der Gabel zerdrücken

1 Zwiebel, fein gewürfelt

80g gerauchter Schweinebauch fein gewürfelt, gibt es fertig geschnitten und abgepackt zu kaufen

50g Lauch, in feine Würfel geschnitten

1 Bund glatte Petersilie, fein geschnitten

1 Ei

Salz, Pfeffer, Muskat, Majoran, ganz wenig Thymian

Zwiebeln zum Schmälzen, wir gestehen es – wir verwendeten fertige Röstzwiebeln

Schnittlauch zum Anrichten

Für die Zubereitung schwitzt man die Zwiebeln mit dem Schweinebauch in einer Pfanne an, gibt den Lauch und die Petersilie dazu und lässt alles gut andünsten, erkalten lassen.

Nun gibt man alle Zutaten in eine große Rührschüssel, entweder mit dem Handmixer und den Knethaken gut vermengen oder mit der elektrischen Küchenmaschine verkneten.

Nun die Teigrolle aus der Kühlung nehmen, aufpacken, und die Hälfe davon auf der Arbeitsplatte mitsamt dem Papier auslegen.

Die Hälfte der Füllung darauf glattstreichen. Am Ende 1 cm frei lassen.

Von der langen Seite her mit Hilfe des Papiers eng aufwickeln.

4

Mit einem Sägemesser etwa 4 cm breite Stücke schneiden und diese in der leise simmernden Fleischbrühe in 15-20 Minuten gar ziehen lassen.

5

In der Zwischenzeit die andere Hälfte Teig und Füllung verarbeiten. Die inzwischen fertigen Maultaschen mit einem Schaumlöffel herausnehmen und wenn möglich warm halten, die andere Hälfte der Maultaschen garen.

6

Währenddessen feine Zwiebelringe in Butter schmälzen.

Schnittlauch, fein schneiden.

Im Anschluss nun alle Maultaschen in die Brühe legen und nochmals erwärmen.

Dann wird angerichtet. In den Suppenteller kommen die Maultaschen, eventuell das kleingezupfte Suppenfleisch, Brühe, die geschmälzten Zwiebelringe und Schnittlauch.

7

Es war köstlich! Birgit, vielen Dank fürs Kochen und dem Veröffentlichen deines Rezeptes. Natürlich hab ich diese postwendend nachgekocht. Die Hälfte der Maultaschen kleiner geschnitten und nach dem Garen und Erkalten eingefroren. Bald wird ausprobiert, ob sich diese auch gut anrösten lassen und zusammen mit Kartoffelsalat ein schmackhaftes Essen geben.

Und wem dies alles trotz vieler fertiger Produkte immer noch zu viel Arbeit ist und der Supermarkt bereits geschlossen haben sollte, an einer Tankstelle in Schwäbisch Gmünd entdeckte ich diesen Automaten – für den Maultaschenliebhaber to go! Was es alles gibt!

An guada Abbedid! Gruaß, Karin

3 Kommentare zu “Herrgottsbscheißerla

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